Am Donnerstag vergangener Woche vermeldeten Netflix und ver.di, die sich schon 2020 erstmals auf Gemeinsame Vergütungsregeln geeinigt hatten, einen weiteren Abschluss, der höhere Mindestgagen bei deutschen Netflix-Serienproduktionen vorsah. Demnach wurde die Mindestgage für Filmschaffende mit mindestens fünf Jahren Berufsverfahrung um fünf Prozent angehoben, falls der Budget pro Folge bei mehr als 1,2 Millionen Euro lag, um 7,5 Prozent bei einem Folgenbudget von 2,5 Millionen Euro. Auch die Mindestgagen für Regisseurinnen und Regisseure wurden geregelt.

Doch der Abschluss wurde nicht überall erfreut aufgenommen: Der Bundesverband Regie, der erst wenige Wochen zuvor seine eigenen Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln mit Netflix für gescheitert erklärt hatte und nun auf eine Schlichtung dringt, teilte mit: "Wir wundern uns darüber, dass die Gewerkschaft mal eben so, en passant, auch für die Regie in Deutschland abgeschlossen zu haben glaubt" und verwies darauf, dass ver.di nur einen kleinen Teil der Regiseurinnen und Regisseure vertrete.

"Anmaßend und übergriffig"

Dieser Kritik schloss sich nun der Berufsverband Kinematografie an und wählte noch deftigere Worte: "Netflix und ver.di arbeiten gegen die Filmschaffenden", heißt es dort schon in der Überschrift der Mitteilung. Dass ver.di eine solche Vereinbarung mit Netflix ohne Konsultation mit den Berufsverbänden geschlossen habe, sei "anmaßend und übergriffig" – und die Höhe liege darüber hinaus unter dem, was heute schon marktüblich sei. "Von angemessener und fairer Beteiligung an Nutzungserlösen kann keine Rede sein. Die Berufsverbände als repräsentative Vertretungen lehnen derartige Flach-Regelungen ab", so der BVK. Vielmehr sehe man die Gefahr, dass Netflix sich die Möglichkeit eröffnen wolle, selbst als Produzent zu agieren und damit Regelungen mit den etablierten Produktionsfirmen zu unterlaufen.

Aus Sicht von Anna Schenk, Präsidentin des BVK, könnte der Abschluss mit Ver.di vor allem dazu gedacht sein, das Bild von Netflix wieder aufzupolieren, nachdem zuletzt die Produktionen in Dänemark gestoppt worden waren, weil man mit den dortigen Vergütungsregeln zwischen Produzenten und Filmschaffenden nicht einverstanden war. Schenk: "Gegen dieses Diktat hatten viele Europäische Organisationen, die Filmschaffende repräsentieren, protestiert - so auch der BVR und der Berufsverband Kinematografie, die Netflix bei Verhandlungen am „langen Arm“ regelrecht hatte verhungern lassen. Ver.di macht das billiger!"

ver.di bezeichnet Kritik als "nicht nachvollziehbar"

ver.di wiederum bezeichnete die Kritik als "inhaltlich nicht nachvollziehbar" und "offenbar sehr emotionalisiert vorgetragen". "Die beiden Verbände haben ein anderes Verständnis als ver.di von Interessenvertretung. Wir sind als Gewerkschaft an für alle Berufsgruppen gemeinsam und solidarisch erreichten Verhandlungsergebnissen mit Arbeitgebern und Auftraggebern interessiert, die sich daran orientieren, die Mindestbedingungen deutlich und immer wieder zu verbessern", so ein ver.di-Sprecher. Als einzige Gewerkschaft, die Tarifverträge für Filmschaffende abschließe, sei man "deutlich mitgliederstärker und durchsetzungsfähiger als einzelne Berufsverbände, die nur die Interessen ihrer jeweiligen Berufsgruppe vertreten" würden.

Auf den Vorwurf, dass heute schon höhere Gagen üblich seien, entgegnet ver.di, dass es nach dem Tarifvertragsgesetz generell nur möglich sei, Mindestregelungen verbindlich festzulegen. Die Regelungen seien somit eine Grundlage, die nicht unterschritten werden darf, aber Gagen und andere Vertragsbestandteile könnten natürlich auf dieser Basis individuell höher verhandelt werden, was auch geschehe und was Netflix auch bewusst sei. Hohe Gagen könnten dabei aber vor allem erfahrene Filmschaffende aushandeln, durch gestiegene Mindestvergütungen würden aber direkt auch Berufseinsteiger profitieren.

Bezüglich der Kritik des Regieverbandes verweist man bei ver.di zudem darauf, dass die nun festgelegten Mindestvergütungen für Serienfolgen doppelt so hoch lägen wie nach der BVR-Regelung für Kinofilme (Minimum 42.000 Euro für eine 45-minütige Serienfolge mit Budget von mind. 2,5 Mio. Euro im Vergleich zu 50.000 Euro für einen Kinofilm bei gleichem Budget). Dazu komme je nach Erfolg in beiden Fällen eine Zusatzvergütung, wobei der Regie und den Drehbuchautorinnen und -autoren der höchste Anteil zukomme.

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