In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Axel Springer den ehemaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt verklagt (DWDL.de berichtete). Dabei geht es um eine Millionensumme: Springer will nicht nur die an Reichelt gezahlte Abfindung zurück haben, sondern verlangt auch eine Vertragsstrafe, weil man glaubt, der Journalist habe sich nicht an Vereinbarungen aus einem gemeinsam geschlossenen Abwicklungsvertrag gehalten. 

Nun berichtet der "Spiegel", dass Axel Springer bei seiner Klage gegen Reichelt unerwartete Unterstützung bekam, nämlich von Verleger Holger Friedrich ("Berliner Zeitung"). Friedrich bestätigte gegenüber dem Nachrichtenmagazin, dass Reichelt ihn persönlich kontaktierte und Chat-Nachrichten aus dem Springer-Kosmos anbot, um diese zu veröffentlichen. Unaufgefordert habe er von Reichelt, der inzwischen bei Youtube aktiv ist, entsprechende Nachrichten erhalten. Bei der "Berliner Zeitung" habe man sich dazu entschieden, das Material zu vernichten, weil es Persönlichkeitsrechte verletze. Die Chats sollen Nachrichten des Springer-Vorstands und weiteren Führungskräften zu internen Angelegenheiten des Unternehmens enthalten. 

Und mehr noch: Friedrich selbst hat laut "Spiegel" die Juristen von Axel Springer über das Vorgehen von Julian Reichelt informiert. Friedrich betont gleichzeitig, dass man keinerlei Materialien an die Konkurrenz weitergeleitet habe. Für Axel Springer könnte Holger Friedrich im möglichen Prozess gegen Julian Reichelt damit zu einem wichtigen Zeugen werden. Er könnte belegen, dass Reichelt Unternehmensinterna weitergegeben hat - das wirft Springer seinem ehemaligen Chefredakteur unter anderem vor.

Für die "Berliner Zeitung" könnte sich das Vorgehen des Verlegers noch als problematisch erweisen. Wenn potenzielle Informanten bei der Zeitung fürchten müssen, dass geleakte Dokumente nicht vertraulich behandelt werden, wenden sie sich im Zweifel an eine andere Redaktion. Friedrich teilt diese Befürchtung ganz offenkundig nicht. Gegenüber dem "Manager Magazin" erklärt Friedrich, es habe sich bei Reichelt um einen "Grenzfall" gehandelt, den man diskutiert habe. "Doch es ist eine Frage professioneller Standards, den anderen darüber zu informieren, dass mir unsaubere Informationen zur Verfügung gestellt wurden. [...] Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der private Informationen von exponierten Personen öffentlich werden."

Der Anwalt von Julian Reichelt sprach in der vergangenen Woche von einem "entlarvenden und zugleich untauglichen Einschüchterungs- und Ablenkungsversuch" seitens Axel Springers. Die ursprünglich vom Verlag gegen ihn erhobenen Vorwürfe des Machtmissbrauchs wies Reichelt wiederholt und energisch zurück. Zuletzt veröffentlichten "Medieninsider" und "Stern" Chat-Nachrichten von einer Frau, die im Compliance-Verfahren gegen Reichelt ausgesagt hatte. Diese Nachrichten machen nun eher den Eindruck, als sei ihre Beziehung mit Reichelt einvernehmlich gewesen.