Als Oliver Masucci auf der Festivalbühne in Lille die deutsch-französische Freundschaft beschwor, die heute wichtiger denn je sei, erntete er gleich frenetischen Applaus. Dieser brandete abermals auf, nachdem die ersten zwei Folgen von "Herrhausen – Der Herr des Geldes" über die Leinwand geflimmert waren. Die packende ARD-Miniserie über den 1989 ermordeten Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen kam nicht nur beim Publikum gut an. Bei der Preisverleihung am Freitagabend durfte Autor Thomas Wendrich den Preis fürs beste Drehbuch entgegennehmen. Wendrich hob dabei die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Produzentin Gabriela Sperl und Regisseurin Pia Strietmann hervor.

"Es ist wunderbar, dass ein deutsches Thema international so großartig aufgenommen wurde. Die Wertschätzung, die wir alle hier erfahren haben, ist eine große Freude für mich", so Wendrich. "Tausend emotional gefesselte Menschen im Saal bei der internationalen Premiere in Lille, dazu ein wunderbarer Preis von der Jury – wir freuen uns, dem deutschen Publikum 'Herrhausen'  noch in diesem Jahr im Ersten und in der ARD-Mediathek zeigen zu können", fügte ARD-Degeto-Geschäftsführer Thomas Schreiber hinzu.

Die Koproduktion von Sperl Film, ARD Degeto, RBB, SWR, HR, X Filme und der belgischen Beside Productions erzählt einen vierteiligen Thriller vor dem Hintergrund von Herrhausens politischem Engagement für einen Erlass der Schulden armer Länder und für einen von der Bundesregierung verbürgten Kredit an die Sowjetunion. "Er war ein humaner Banker, ein Mensch, der versucht hat, etwas Neues zu tun, und andere wollten ihn daran hindern", so Masucci nach der Premiere. Gabriela Sperl verwies auf die lange, komplexe Recherche für das Projekt: "Herrhausen" zeige eine neue, begründete Theorie rund um den Mordanschlag. Die RAF, die damals verantwortlich gemacht wurde, habe in Wahrheit nicht mehr die nötige Kraft gehabt. Beim Filmfest München im vergangenen Juli hatte Sperl für "Herrhausen" bereits den Bernd-Burgemeister-Fernsehpreis erhalten.

Neben dem Drehbuch-Preis für "Herrhausen" zeichnete die internationale Jury unter Vorsitz des französisch-amerikanischen Regisseurs Zal Batmanglij drei weitere Serien aus: Die französisch-ungarische Koproduktion "Rematch", die hierzulande bei Arte laufen wird, ging als beste Serie aus dem offiziellen Wettbewerb der Series Mania hervor. Autor und Regisseur Yan England erzählt den legendären Wettkampf zwischen Schachweltmeister Garry Kasparov und dem IBM-Supercomputer Deep Blue von 1997 als rasanten Psychothriller mit modernen Anklängen an die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz.

Hollywood-Star Annette Bening erhielt den Preis als beste Schauspielerin für die Peacock-Serie "Apples Never Fall", die jüngste Romanverfilmung von Liane Moriarty ("Big Little Lies"). Bester Schauspieler wurde der Palästinenser Kamel El Basha, der in der australischen Serie "House of Gods" einen charismatischen Imam darstellt. In der Kategorie "International Panorama" machte die norwegische Romantic-Comedy-Serie "Dates in Real Life" das Rennen, in der eine junge weibliche Hauptfigur nach Jahren des Online-Dating einen Partner im echten Leben sucht. Als beste französische Serie wurde – von ausländischen Journalisten – der actionreiche Arte-Sechsteiler "Machine" gekürt, in dem eine mysteriöse Kung-Fu-Kämpferin und ein clean gewordener Marxist einen Arbeiteraufstand in der Kleinstadt anführen.

Mit 98.000 Zuschauern in den Festival-Screenings – 15 Prozent mehr als im Vorjahr – sowie mit 4.200 Fachbesuchern aus 72 Ländern beim Branchenforum – einem Zuwachs um 11 Prozent – hat die Series Mania selbst in Zeiten rückläufiger Serienproduktion neue Rekorde aufgestellt. Europas größtes Serienfestival wird maßgeblich von der Region Hauts-de-France, der Stadt Lille, der nationalen Filmförderung CNC und der Genossenschaftsbank Crédit Mutuel finanziert.

Mehr zum Thema