Eine „Nahaufnahme“ von ihr? Die Anfrage hat Diana Schardt überrascht. Selber im Rampenlicht stehen ist ihre Sache nicht. Lieber hilft sie, die „PR-Queen“, wie sie von langjährigen Weggefährten an der Münchner Medienallee genannt wird, dass andere aus ihrem Unternehmen glänzen. Auf Podien, in Clubhouse-Räumen oder auf Twitter findet man sie nicht. Über den Job hinaus ist sie auch nicht als Aktivistin aufgefallen wie manch andere Vertreterin ihrer Zunft.

Doch wie heißt es so schön: Stille Wasser gründen tief. Jedenfalls dürfte kaum jemand die Urquelle der SevenOne Entertainment Group formerly known as ProSiebenSat.1 TV Deutschland länger und besser kennen als sie.

Seit bald drei Jahrzehnten hält Diana Schardt das PR-Ruder in Unterföhring fest in der Hand, seit 2020 in der Rolle der „Senior Vice President Communications & PR“ und Sprecherin der von Vorstand Wolfgang Link gesteuerten Seven.One Entertainment Group. Die beiden kennen sich schon, seit sie 2009 bei Sat.1 die Pressestelle und er die Unterhaltung leitete. Nun liegt die Verantwortung für die gesamte Kommunikation der Gruppe in ihren öffentlichkeitsarbeitenden Händen. Dazu zählt nicht nur die Programm- und Personality-PR für die „Sender Brand Familys“, sondern auch die PR für Vermarktung, Digitalgeschäft und Strategie.

Natürlich wirken in ihrer Abteilung noch viele andere, nämlich exakt 39 Kräfte (ohne Praktikanten) unterstützend mit. Dass sie ein „großartiges Team“ im Rücken habe, wird Diana Schardt im Gespräch noch oft betonen. Und dass sie noch immer voller Leidenschaft ist für diesen Beruf und für die Entertainment-Industrie, die „schon sehr speziell, auch ein bisschen verrückt“ ist. Wie wahr!

Einer, der lange mit der PR-Frontfrau zusammengearbeitet hat, sagt über sie, dass sie „auch in stürmischer See stets die Ruhe behält“. Und damit auch völlig unaufgeregt und pragmatisch die richtigen Entscheidungen für ihr Unternehmen trifft: „Das ist eine Kunst, die wahrlich nicht jeder beherrscht, und vermutlich ist das auch ihr Erfolgsrezept, dass sie so lang an Bord geblieben ist auf der ,MS SevenOne Entertainment‘ und auch nach so langer Zeit noch Spaß daran hat.“

Diana Schardt © Benjamin Kis / Seven.One Entertainment Group
Diesen Spaß merkt man Diana Schardt an, als man sie in einer Phase tiefer Entspannung spricht. Der einwöchige Urlaub wirkt nach, auch wenn der erste Arbeitstag mit Terminen und To-Dos wie ein D-Zug auf sie zugerast war. Business as usual und so viel anders als zu ihren PR-Anfängen.

Just in jener Stadt, wo in den 90ern der beleibte „Bulle“ Benno Berghammer für Sat.1 auf Quotenjagd ging, wurde Diana Schardt vor 51 Jahren geboren. Ein echtes „Tölzer Madl“ also. In München studierte sie Kommunikationswissenschaft mit Medienrecht und Psychologie, nebenher jobbte sie bei Produktionsfirmen und Werbeagenturen. Public Relations? Das hatte sie nicht auf dem Schirm, eher Journalismus oder klassische Werbung – bis sie einen Aushang sah.

ProSieben, dieser so freche, 1989 gegründete Privatsender, suchte Volontäre in der PR. Und sechs Jahre später, im August 1995, ging die 25-jährige Uni-Absolventin Diana Schardt an Bord, im allerersten PR-Ausbildungsjahrgang überhaupt.

Das Briefbomben-Attentat auf die Talk-Queen Arabella Kiesbauer lag zwei Monate zurück, und das ProSieben-Gelände war gesichert wie Fort Knox. Als aufregend erinnert Diana Schardt die Pionierzeit aber auch deshalb: „Wir Volontäre hatten alle Möglichkeiten und sind direkt ins Wasser geworfen worden.“ Viele eigenproduzierte Magazine, die heute noch erfolgreich laufen wie „Galileo“ oder „taff“, starteten, mit „TV Total“ eine Late-Night-Show. Und dann wurde aus der GmbH plötzlich eine AG. „Wir gingen an die Börse und wurden als erste Medienaktie überhaupt in den MDax aufgenommen! 500 Leute und Dr. Georg Kofler – das war Rock’n’Roll.“

„Mr. ProSieben“, ja, das war schon „ein Unikat mit einer ganz besonderen Aura“, sagt Schardt über den allerersten Senderboss: „Er konnte mitreißen wie kein zweiter, er konnte vortrefflich feiern, aber genauso vortrefflich schimpfen in seiner wunderbaren Südtiroler Art.“ Kofler habe „dem Laden damals gutgetan“. Die ihm folgten, „kamen aber auch zur richtigen Zeit.“

Müsste sie nicht gerade pandemiebedingt in ihrer Wohnung in Haidhausen arbeiten, könnte Diana Schardt vom Bürofenster aus den Fortschritt von Bauarbeiten beobachten. Ihr Konzern gönnt sich in Unterföhring ein neues Hauptquartier, den „New Campus“. Schweres Gerät hat unlängst die letzten Reste jenes Gebäudes dem Erdboden gleichgemacht, in dem Unternehmenslenker wie eben Kofler, aber auch Haim Saban und Thomas Ebeling ihre Entscheidungen trafen. 30 Jahre Konzerngeschichte gingen zu Bruch – und damit auch ein Stück von Diana Schardts eigener Geschichte?

Nein, so sieht sie es nicht: „Alles hat seine Zeit. Dieses Gebäude hatte auch seine Zeit.“ An einem Morgen kam sie mit dem Fahrrad angeradelt, so wie sie es oft tut, wenn die Sonne scheint, blickte auf die Dachterrasse in der Medienallee 7, auf der früher legendäre Feste gefeiert wurden, und am Abend stand schon der halbe Bau nicht mehr. Die Kräne zu beobachten, wie sie wie kleine Pacmans das Haus abtrugen, habe bei ihr allerdings „keine Wehmut ausgelöst“.

Wandel im Umgang mit der Presse

Hört man ihr zu, wie rasant das Kommunikationsgeschäft geworden ist, „im Positiven wie im Negativen“, klingt sie aber dann doch ein bisschen wehmütig.

Ihre Volontärinnen und Volontäre schauten sie mit großen Augen an, wenn sie ihnen erzähle, dass Fotos früher als Dias gedubbt und ganze Ordner mit Duplikaten gefüllt wurden: „Ein Dia-Slide einfach einschieben – das haben wir damals unter Digitalisierung verstanden“, lacht sie. Auch der Umgang mit der Presse habe sich gewandelt. In den 90ern war um 18 Uhr Schluss, und Journalisten, die zu einer Sendung oder einem Star unbedingt noch etwas wissen wollten, mussten sich bis zum nächsten Tag gedulden. „Seit sich alle im Netz tummeln, wird Erreichbarkeit 24/7 erwartet, und so muss man sehr genau abwägen: Braucht jemand diese Information wirklich nachts um elf oder reicht es morgen Früh um acht? Oder ist meine Welt morgen Früh um acht keine schöne mehr, wenn ich ihm oder ihr die Information nicht jetzt sofort gebe?“

So ein Jetzt-und-sofort-Krisenfall, der keinen Aufschub duldete, ereignete sich am Mittwoch dieser Woche. Sat.1 musste auf einen verbalen Insta-Ausrutscher des Comedians Faisal Kawusi reagieren und tat es via Tweet. Diana Schardt, die selbst lange Jahre Sat.1-Sprecherin war, haute nicht selbst in die Tastatur. Dafür hat sie ihr Team aus Redakteuren und Sendersprecherinnen. Ihr Job ist eher „die Orchestrierung des Gesamten“.

Diana Schardt © Benjamin Kis / Seven.One Entertainment Group
Damals wie heute ist ihr Anspruch, „gute Information zu liefern“. Über das Vorurteil auf der anderen Seite des Schreibtisches, dass PR-Menschen nie die ganze Wahrheit erzählen und wenn es sein muss, wird auch mal gelogen, sagt sie: „Das war noch nie ein guter Plan!“ Natürlich müsse sie als PR-Frau im Sinne ihres Unternehmens oder ihres Geschäftsführers handeln, aber doch auch „partnerschaftlich“ mit der Journalistin umgehen, die eine Geschichte abliefern will.

Hand aufs Herz, wie viel Leidensdruck verspürt sie, ein schlechtes Format als gut verkaufen zu müssen? „Natürlich versuchen wir, für jedes Format gute PR zu machen. Aber wir betreiben weniger Overselling. Ich hoffe, man merkt es unseren Pressemeldungen an.“ Kommunikation „mit einem Augenzwinkern“ nennt sie das. Manchmal verzichteten sie aber auch einfach ganz auf eine Meldung und kommunizierten nur über einen Tweet. Wirklich schade findet Diana Schardt, „dass kaum jemand noch nachfragt“. Journalisten hätten immer weniger Zeit, „sich mit unseren Themen zu beschäftigen“. Dabei gäbe es doch „nichts Schöneres, als mit Menschen, die ebenfalls eine Leidenschaft für Entertainment haben und sich in der Branche auskennen, in den Dialog zu treten“.

Gut, das dialogfreudige DWDL.de würde Diana Schardt bestimmt von ihrer leisen Kritik ausnehmen, nicht wahr? Kurz zurück ins Jahr 1995.

Zwei Wochen nach ihr stieg jener Julian Geist mit ins Volo ein, der es bis zum Konzernsprecher schaffen sollte. Markus Ammon und Christian Asanger machten das Quartett aus PR-Neulingen komplett. Geist hat es inzwischen ins Consulting verschlagen, Ammon in die Geschäftsführung der Bavaria Fiction und Asanger zu Sky als Entertainment-Chef. Schardt blieb. Obwohl es auch bei ihr Phasen gab, in denen sie dachte, okay, wo ist dein nächster Schritt? Der eine und andere Anruf erreichte auch sie. Aber die Möglichkeit zum nächsten Schritt gab es dann immer im Haus selbst.

Kein Stein blieb auf dem anderen

So war es auch 2009. Diana Schardt, bis dato Sprecherin von Kabel Eins, fand sich im Januar jenes aufwühlenden Jahres bei Sat.1 in Berlin wieder. Es stand schon fest, dass die Türen in der Hauptstadt zum 30. Juni zugesperrt werden, um die Senderschwester bei ProSieben unterzubringen. Die neue Sat.1-Pressestellechefin musste eruieren, wer von der PR nach München umzieht. Viele waren es letztlich nicht, nicht mal ein Viertel.

Aus Unterföhring kam das Signal: aufstocken ist nicht, wir müssen die PR für alle unsere Senderbrands mit der verbliebenen Mannschaft stemmen. Aber wie sollte das gehen? Es war schließlich eine Zeit mit richtig viel Bewegung drin: Kerner und Pocher wechselten exklusiv zu Sat.1, die Champions-League-Rechte kamen zurück . . . Also wurde auch in München kein Stein auf dem anderen gelassen. Alle Pressestellen der, wie sie damals kurzzeitig hieß, German Free TV, wurden zusammengewürfelt in eine Matrix-Struktur. Dank der Grundidee, sich in der PR wie im Mantelteil einer Programmzeitschrift nach Genres und nicht nach Sendern zu organisieren, hat das Fusionieren laut Schardt „sehr schnell“ funktioniert. In Teilen wird in dieser Struktur noch heute gearbeitet.

Die Kolleginnen und Kollegen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht nach München wechseln wollten, bis zum Sommer im Team bei Laune zu halten und anschließend die Neuen in München in ein bestehendes Team zu integrieren – das erinnert Schardt als „rein kräftemäßig eine der anstrengendsten Zeiten“, weil sehr emotional. Seither wisse sie auch, wie schwer es ist, wenn zwei unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen.

So wie es gerade auf der „MS RTL Deutschland“ passiert.

„Ich glaube, mit Köln und Hamburg ist es so ähnlich wie damals bei uns mit Berlin und München“, sagt Diana Schardt. „Berlin atmete die hippe Hauptstadtluft, und wir in Unterföhring verstanden überhaupt nicht, warum das Dazukommen dort so ein großes Thema war.“ Sie hätten ja bereits gute Erfahrungen gemacht mit Kabel Eins und ProSieben, die zu einem multikulturellen Unternehmen zusammengewachsen waren.

Welchen Ratschlag sie an den Rhein weiterreichen würde? „Wichtig ist, die Mitarbeiter mit ihren Ängsten und Sorgen ernst zu nehmen und sie mitzunehmen auf den Weg, und zwar frühzeitig und mit größtmöglicher Transparenz: Okay, schaut her, das ist unser Ziel, da wollen wir gemeinsam hin.“ Ganz falsch wäre es, „ihnen das Gefühl zu geben, wir schließen euch aus, und wenn wir irgendwann fertig sind, holen wir euch vielleicht ab“. Was passieren wird, und das habe bei ihnen wirklich eine Zeitlang gedauert, sei das „Wir bei XY“ herauszubekommen, „also vom ,Wir bei ProSieben‘ und ,Wir bei Sat.1‘ zu einem ,Wir bei ProSiebenSat.1‘ zu kommen“.

Und während die Kölner und Hamburger sich also zum „Wir bei RTL Deutschland“ aufmachen müssen, könnte in Unterföhring derweil neues Fusionsungemach drohen.

Media For Europe, der Medienkonzern des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, ist dabei, seine Anteile an ProSiebenSat.1 immer weiter aufzustocken. München gilt zwar als nördlichste Stadt Italiens und der Weg über die Alpen ist kurz, aber so eine länderübergreifende Medienallianz, wie sie den Italienern vorschwebt, das wäre noch mal eine ganz andere Hausnummer als das Zusammengehen von Pro Sieben mit Sat.1 vor dreizehn Jahren.

Zumindest sprachtechnisch wäre Diana Schardt nur leidlich gerüstet. Ihr Italienisch reiche, „um sich am Gardasee zurecht zu finden“, lacht sie. Sie bekomme im Übrigen „keine Schnappatmung“, weil die italienischen Anteilseigner weiter in ihren Konzern investierten. Das gelte ebenso angesichts der Fusionspläne, die der CEO eines deutschen Medienmultis hegt.

Bertelsmann-Boss Thomas Rabe wird ja nicht müde, öffentlich über einen „nationalen Champion“ nachzudenken, den RTL und ProSiebenSat.1 gemeinsam bilden sollen. Diana Schardt bleibt da die Ruhe selbst: „Ich habe in diesen vielen Jahren schon viele Menschen viele Dinge sagen hören. Was letztlich daraus geworden ist, steht auf einem anderen Blatt.“

Und eins ist ja wohl sonnenklar: Das Ruder wird sich die PR-Queen der ersten Stunde aus München-Unterföhring nicht so leicht entreißen lassen. Komme, was wolle.