Dementsprechend hat Disney-CEO Bob Iger dann auch 2 Milliarden Dollar an Synergiepotenzial für die ersten zwei Jahre nach Abschluss der 71,3 Milliarden Dollar schweren Übernahme von 21st Century Fox versprochen und will im selben Zeitraum die Schuldenlast seines Konzerns erheblich zurückführen. Keine leichte Aufgabe, wenn gleichzeitig ein attraktives Disney+ – so der Name der geplanten Streaming-Plattform – entstehen soll.

"Das Schlimmste, was Disney tun könnte, wäre ein DTC-Produkt zu launchen, das die Konsumenten enttäuscht", schrieb Finanzanalyst Todd Juenger von Bernstein Research in einer seiner jüngsten Einschätzungen. "Wir sehen nicht, wie Disney gleichzeitig dieses ausdauernde Investment tätigen und den Verschuldungsgrad reduzieren kann – selbst nicht bei stabiler makroökomischer Umgebung." Die realistische Folge dürfte sein, dass Disney auf absehbare Zeit weit unterhalb der quantitativen Flughöhe von Netflix bleiben wird.

Laufende Deals für Disney- und Fox-Inhalte werden wohl nicht angetastet. Die US-TV-Rechte an zehn "Star Wars"-Filmen liegen beispielsweise noch bis 2022 bei Turner. Netflix betreibe "ein Mengengeschäft mit viel Qualität innerhalb ihrer Mengen", erklärte Iger kürzlich dem "Hollywood Reporter". Disney setze dagegen auf "ein Qualitätsgeschäft mit genügend Menge, um dem Konsumenten ein gutes Preis-Leistungsverhältnis zu bieten". Feine, aber weitreichende Unterschiede im Wording. Folgt man Juengers Analyse, braucht Disney+ für den Break-even mindestens 40 Millionen Abonnenten, die 6 Dollar pro Monat zahlen.

Gelockt werden sollen sie mit einer neuen "Star Wars"-Live-Action-Serie, die als Prequel zu "Rogue One: A Star Wars Story" konzipiert wird, mit einer Marvel-Superhelden-Serie rund um den von Tom Hiddleston verkörperten Loki oder einem Serien-Spin-off des Pixar-Blockbusters "Die Monster-AG". Neben Disney+ will der Konzern aber auch in die Streaming-Plattform Hulu investieren, an der ihm nach Abschluss der Fox-Übernahme eine 60-Prozent-Mehrheit gehört. Sie soll nicht zuletzt mit etlichen Fox-Inhalten die jungen Erwachsenen ins Visier nehmen. Beide Angebote will Disney schrittweise weltweit ausrollen.

Das HBO-Ziel: "Mehr Stunden pro Tag"

Etwas anders ist die Ausgangslage bei WarnerMedia. Dort hat HBO Now, die 2015 gestartete OTT-Plattform des Pay-TV-Senders HBO, mittlerweile über 5 Millionen eigene Abonnenten, die zu den rund 49 Millionen Kunden der linearen Version hinzugezählt werden können. WarnerMedia-Chef Stankey hat intern wie extern deutlich gemacht, dass nicht nur seine Abo-Ziele ehrgeizig sind, sondern dass von der HBO-Mannschaft künftig auch "mehr Stunden pro Tag" an Qualitätsinhalten erwartet werden. Dass die langfristige Wettbewerbsfähigkeit stark erhöhte Programminvestitionen erfordert, scheint die neuen Gesellschafter nicht zu schocken. Immerhin steht auch für HBO Now der mittelfristige Plan eines globalen Roll-outs in Aussicht, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf bisherige HBO-Partner in Europa wie etwa Sky hätte.

Auch wenn bislang nirgendwo so viel mit Video-on-Demand-Abos (SVoD) umgesetzt wird wie im US-Markt, sehen etliche Hollywood-Insider Europa als spannendstes Wettbewerbsfeld der nächsten Jahre. Laut einer Studie des Marktforschers Research & Markets soll sich das SVoD-Volumen in Westeuropa von 3,8 Milliarden Euro im vorigen Jahr auf rund 11,0 Milliarden Euro im Jahr 2023 nahezu verdreifachen. Das wäre dann in etwa das heutige Volumen des US-Markts. Regionale TV-Anbieter wollen an diesem Wachstum kräftig mitwirken.

"Es geht nicht um Stunden pro Woche und nicht um Stunden pro Monat. Wir brauchen Stunden pro Tag. Sie konkurrieren mit Geräten, die die Menschen in den Händen halten und die ihre Aufmerksamkeit alle 15 Minuten neu einfangen"

John Stankey, CEO, WarnerMedia (zu den Mitarbeitern von HBO)

 

Für Deutschland haben bekanntlich ProSiebenSat.1 und Discovery mit ihrem Joint Venture 7TV, zu dem in Kürze auch das ZDF hinzustößt, sowie die Mediengruppe RTL mit TV Now ehrgeizige Ausbaupläne für 2019 angekündigt, auch wenn die jeweiligen Strategien noch nicht völlig ausgereift scheinen. "Unsere Stärke wird darin liegen, näher am spezifischen Kunden zu sein", sagte RTL-Interactive-Geschäftsführer Jan Wachtel zuletzt auf den Medientagen München. "Wenn du ein lokales Produkt willst, darfst du nicht probieren, den globalen Player in seinen Stärken anzugreifen."

Zumindest mit diesem Credo befindet sich Wachtel in guter europäischer Gesellschaft. In Frankreich haben sich die beiden größten Privatsender TF1 und M6 mit dem öffentlich-rechtlichen France Télévisions zusammengetan und eine gemeinsame SVoD-Plattform namens Salto gegründet. In Großbritannien kooperieren BBC, ITV und Channel 4, um ihre bestehende Digital-TV-Plattform Freeview für 145 Millionen Euro zum vollwertigen SVoD-Service auszubauen. Allen Beteiligten scheint klar zu sein: Die TV-Transformation erfordert viel Geld, starke Inhalte und geballte Kraft.

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