Netflix und Amazon haben den VoD-Markt in den vergangenen Jahren kräftig aufgemischt, vor allem Netflix nimmt dabei auch in technischer Hinsicht eine Vorreiterrolle ein. Das ZDF ist nun schon länger mit einer vergleichsweise modernen Mediathek online, die Mediengruppe RTL hat TV Now gerade erst komplett überarbeitet und auch die ARD-Mediathek erstrahlt mittlerweile in neuem Glanz. Hinzu kommen noch ProSiebenSat.1 und Discovery, die 7TV im kommenden Jahr neu aufsetzen wollen. Alle Unternehmen versuchen dabei stets, möglichst viel selbst zu machen, sind aber auch auf Spezialisten angewiesen, die ihnen bei der Entwicklung und Programmierung helfen.

Einer dieser externen Dienstleister, die sonst eher im Hintergrund arbeiten und daher nur wenig Würdigung erhalten, ist 3SS. Die Software-Spezialisten arbeiten unter anderem für die Mediengruppe RTL und ProSiebenSat.1. 3SS kümmert sich um die Frontend- und Backendentwicklung der Videoplattformen und muss dabei immer die individuellen Wünsche der verschiedenen Kunden berücksichtigen. "Die Herausforderung ist, die meist vielen kundenspezifischen Systeme im Hintergrund, die für einen TV oder Videoservice notwendig sind, so zu integrieren, dass der Endkunde ein höchst intuitives und performantes Nutzererlebnis hat, um werbefinanzierte oder Bezahl-Inhalte auf möglichst vielen Geräten konsistent zugänglich zu machen", sagt Pierre Donath, Director Product & Marketing bei 3SS, im Gespräch mit DWDL.de.

3SS arbeitet aber nicht nur für bestimmte Sender oder Streamingdienste, sondern auch für Kabelnetzbetreiber. Anfang 2018 ging eine vom Unternehmen entwickelte Android TV Set-Top-Box für einen schwedischen Kabelnetzbetreiber in Betrieb. "Bei solchen Projekten arbeiten wir unter anderem eng mit Google und Netflix zusammen, um alle Inhalte in einem Nutzererlebnis zugänglich zu machen", sagt Donath.

Ein weiteres Unternehmen, dass für Online-Videoplattformen verantwortlich ist, ist Cellular mit Sitz in Hamburg. Für das ZDF entwickelte das Unternehmen unter anderem die Apps für Mediathek und ZDFheute sowie die Anwendungen auf dem Amazon Fire TV Stick und Apple TV. Auch die App von "TV Spielfilm", über die seit etwas mehr als zwei Jahren auch Livestreams deutscher Sender gesehen werden können, ist von Cellular entwickelt worden. Für das SRF entwickelte man eine Wetter App inklusive Smart-Watch-Funktionen. "Die Digitalisierung ist in erster Linie eine Chance - sofern sie rechtzeitig erkannt wird", sagt Cellular-Geschäftsführer Panos Meyer gegenüber DWDL.de. Man verstehe sich selbst als eine Art "Enabler für die Digitalisierung", sagt Meyer. "Das bedeutet, dass wir unter anderem Medien dabei helfen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern, indem wir neue, digitale Geschäftsmodelle und die entsprechenden Produkte bauen."

"Nur weil wir als Dienstleister etwas für möglich halten, ist es nicht auch juristisch darstellbar."
Cellular-Geschäftsführer Panos Meyer

Wo liegt für einen externen Dienstleister wie Cellular die Herausforderung in der Zusammenarbeit mit Medien? "Nicht ganz trivial ist die Rechte-Thematik", so Meyer. "Nur weil wir als Dienstleister etwas für möglich halten, ist es nicht auch juristisch darstellbar." Der Cellular-Geschäftsführer meinte damit die Tatsache, dass aufgrund von Vereinbarungen bestimmte Inhalte nicht oder nur zum Teil angeboten werden können. Prominentestes Beispiel ist da wohl Netflix, das in Deutschland und anderen Ländern Sky die Erstausstrahlungsrechte an "House of Cards" überlassen hat - das eigene Produkt stellte man damit schlechter. Das ist zwar weniger ein Problem des Plattform-Dienstleisters, doch wer es sich als Ziel gesetzt hat, "digitale Geschäftsmodelle" zu bauen, kann aufgrund der bestehenden Rechteprobleme schon mal frustriert sein. Darüber hinaus sei man bislang aber auf nur wenige Herausforderungen gestoßen, sagt Meyer.

Genau wie Cellular war auch die Berliner Exozet GmbH an der Entwicklung der ZDF-Mediathek beteiligt, das Unternehmen übernahm hier unter anderem die strategische und technische Beratung. Alle Webseiten von zdf.de stammen vom Unternehmen. Zudem ist Exozet technisch verantwortlich für die ORF TVthek und hat hier auch das Konzept verantwortet. Bei der Telekom-Sport-App verantwortet man zudem Design und Konzept sowie die technische Umsetzung der Frontend-Lösung. Man komme dann ins Spiel, sagt Uwe Hofer, Key Account Manager Medien bei Exozet gegenüber DWDL.de, wenn "Lösungen von der Stange nicht passen oder keinen ausreichenden USP bieten". In Bezug auf die Plattformen der TV-Sender sagt Hofer: "Alle haben gemeinsam, dass ihre digitalen Services den Nutzergewohnheiten, die durch Services wie Netflix, Amazon oder auch Sky gewachsen sind, angepasst werden müssen." Dabei müsse man aber immer auch die Besonderheiten des jeweiligen Senders beachten.

DAZN eröffnet Entwicklerzentrum in Amsterdam

Eine große Erwartungshaltung gebe es bei den Unternehmen in der Zielgruppe der Redakteure, sagt Hofer. Das Content-Managementsystem müsse "sehr individuell auf die redaktionellen Tätigkeiten abgestimmt" werden. Hofer weiter: "TV-Sender verfügen zumeist über eine breite Landschaft an gewachsener Bestands-Technologie. Diese ist einerseits für den TV-Betrieb notwendig, andererseits bedient diese Technik auch die Online-Distribution. Hier einen guten Mix an Erhalt und Erneuerung zu finden, ist zumeist sehr herausfordernd."

Auch DAZN, das seit dem Launch seiner Plattform oft für die Umsetzung gelobt wurde, hat von Beginn an mit einem Partner zusammengearbeitet. Entwickelt wurde DAZN von Anfang an mit der Digitalagentur Massive. Künftig will man aber mehr selbst machen, so hat man erst vor einigen Monaten ein eigenes Entwicklerzentrum in Amsterdam eröffnet. Bis 2022 sollen dort 300 neue Jobs für Forschung, Entwicklung, Innovation, Akquisitionen und Kundenbindung sowie die Integration von Drittanbietern entstehen.

Von Big Bangs und kontinuierlicher Weiterentwicklung

Bei der Entwicklungszeit der verschiedenen Plattformen reicht die Dauer von wenigen Wochen bis hin zu eineinhalb Jahres. Es kommt immer ganz darauf an, was die Medienunternehmen konkret wollen und wie individuell das sein soll. Alle Anbieter betonen außerdem, dass die kontinuierliche Weiterentwicklung zum Alltag gehört. Wer heute eine Videoplattform startet, muss für morgen schon an neuen Features arbeiten. "Wer aufhört, sich selbst zu innovieren, wird vom Wettbewerber überholt", sagt Panos Meyer von Cellular. Hofer sagt, es komme darauf an, die Plattformen weiterzuentwickeln, bevor der Eindruck der Alterung enstehe. "Also nicht ständig ‘big bangs’ in langen zeitlichen Abständen sondern ständige kleine Verbesserungen und Erweiterungen, die auch schnell wirksam und nutzbar werden."

Hinweis: In einer früheren Version des Artikel wurde fälschlicherweise geschrieben, das der FC St Pauli ein Kunde von 3SS ist. Tatsächlich ist der FC St. Pauli Kunde der TeraVolt GmbH, die bei 3SS Leistungen hierfür bezieht. Zwischen dem FC St. Pauli und der 3SS besteht keine Geschäftsbeziehung.