Seit Gerhard Zeiler zum Geschäftsführer der RTL Group berufen wurde, war eigentlich klar: Auf Dauer würde er nicht gleichzeitig Chef von RTL bleiben können, zumal der Sender damals deutlich Marktanteile verlor. Nur Gerhard Zeiler selbst verwies Spekulationen dieser Art ins Reich der Phantasie. Als Zeiler im Juni 2004 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" darauf angesprochen wurde, was an den Gerüchten dran sei, Marc Conrad solle ihn an der RTL-Spitze ablösen, da bezeichnete er sie als "kompletten Schwachsinn".

Gerade mal eineinhalb Monate später wurde aus dem Schwachsinn dann Realität: RTL kündigte an, dass Gerhard Zeiler sich auf seinen Posten bei der RTL Group zurückziehen würde und zum 1. November mit Marc Conrad ein Mann die Leitung des Senders übernehmen würde, der ihn bereits bestens kannte. Conrad hatte RTL an der Seite von Helmut Thoma mit aufgebaut und geprägt, war stellvertretender Geschäftsführer und Programmdirektor, bis er sich 1998 verabschiedete und auf die Produzenten-Seite wechselte. Zeiler bezeichnete Conrad als "besten Kandidat für die Führung von RTL", die Entscheidung für ihn habe "früh festgestanden". Das Interview, das er nur eineinhalb Monate zuvor gegeben hatte, hatte er da wohl schon erfolgreich verdrängt.

Doch es war nicht das einzige Mal, dass Gerhard Zeiler seine Meinung beinahe in Rekordgeschwindigkeit revidierte. Denn nur 103 Tage später setzte er Marc Conrad vor die Tür und übernahm wieder selbst das Ruder bei RTL. "Gerhard Zeiler und Marc Conrad haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, die Zusammenarbeit in der jetzigen Form nicht fortzuführen", lautete die lapidare Mitteilung aus dem Hause RTL - was nicht nur die Branche und die Öffentlichkeit staunen ließ, sondern offenbar auch Marc Conrad selbst.

Der ließ gegenüber dem "Spiegel" wissen, dass von einer "gemeinsamen Entscheidung" überhaupt keine Rede sein könne. "Eine Vorwarnung hat es nicht gegeben", betonte Conrad damals. Er sei traurig, dass ihm nicht die Gelegenheit gegeben worden sei zu zeigen, wie weit die Vorbereitungen für eine grundlegende Programmrenovierung bereits gewesen seien. Warum Gerhard Zeiler „sich das alles völlig anders vorgestellt hat", könne er nicht nachvollziehen: Er habe Zeiler seit Jahresbeginn nur zweimal gesehen, über Programmentscheidungen habe man gar nicht gesprochen. Für den Fall, dass Zeiler sich dafür interessiert hätte, hatte er aber einen heißen Tipp parat: "Der Gerhard Zeiler hätte mich doch nur danach fragen brauchen, ich hätte ihm das alles zeigen können."

Zeiler selbst wehrte sich wenig später ebenfalls im "Spiegel" und warf Marc Conrad vor, dass dieser zu lange nicht öffentlich gemacht habe, wie der Sender neu aufgestellt werden solle. "Wichtig ist, dass ein Sender und sein oberster Manager klipp und klar sagen, wohin die Reise geht. Es sollte eigentlich klar sein, dass ein RTL-Chef alles sein muss: nach drinnen der Kopf, nach draußen das Gesicht und, wenn Sie wollen, auch der Zirkusdirektor", so Zeiler, der Conrad in Bezug auf die angeblich fehlende Vorwarnung auch "selektive Wahrnehmung" vorwarf.

In der Tat hatte sich Marc Conrad erst wenige Tage vor seiner Abberufung erstmals öffentlich zum neuen Kurs des Senders geäußert. In einem Interview rief er eine "neuen Ernsthaftigkeit" aus und prägte den markanten Satz "Politik ist der neue Sex". Es wäre durchaus spannend gewesen, wie das RTL-Programm sich unter dieser Leitlinie wohl in den nächsten Monaten und Jahren entwickelt hätte. Gerhard Zeiler hielt aber offensichtlich wenig davon. Mit Zeilers Rückkehr wechselte übrigens auch die damalige Vox-Chefin Anke Schäferkordt zunächst als COO zu RTL, ehe sie später komplett die Geschäftsführung von Zeiler übernahm - und das dann sogar für mehr als 103 Tage.