Herr Bartl, Programm-Highlight von RTL II zum Saisonstart wird „Love Island“. Füllt das Format die Lücke, die „Big Brother“ bei Ihnen hinterlassen hat?

Mit „Love Island“ haben wir ab dem 11. September wieder ein Reality-Programm mit Event-Charakter. Das ist die Ähnlichkeit zu „Big Brother“. In Großbritannien ist „Love Island“ hervorragend gelaufen und es könnte für Dating-Reality-Shows das werden, was „The Voice“ für Casting-Shows war. Alle dachten damals, dass man schon alles gesehen hätte und dann kommt plötzlich eine „Tuning-Version“ des gesamten Genres, wenn man so will. Und die ist dann wieder ganz frisch. Wir freuen uns auf diese Dating-Show, werden sie mit einer großen Kampagne bewerben und mit einer eigenen App für die Zuschauer begleiten.

Mit „Naked Attraction“ hat RTL II im Frühjahr ein weiteres Format aus Großbritannien importiert. Hat der Erfolg ein Stück weit den Glauben daran zurückgebracht, dass es im internationalen Formatgeschäft noch Hits geben kann?

Es ist in einem immer vielfältigeren Angebot an Content und Plattformen schwer geworden, Hits mit Breitenwirkung zu starten, aber „Naked Attraction“ zeigt, dass es geht. Unsere Kollegen bei Vox haben ja z.B. mit „Die Höhle der Löwen“ ebenfalls erfolgreich adaptiert. Das lineare Fernsehen beweist immer wieder, dass es Hits erschaffen kann. „Naked Attraction“ hat bei uns mit zweistelligen Marktanteilen scheinbar auch einen Nerv getroffen. Ich musste auch sehr schmunzeln, als „Bild“ über einer Promi-Variante spekulierte, bevor wir hier überhaupt darüber nachgedacht haben.

Spätestens dann sind aber doch die Planungen angelaufen…

Ehrlich gesagt haben sich schon Leute ungefragt beworben für diese Promi-Version. Soweit sind wir schon (lacht). Ich glaube, dass das gut möglich sein kann. Aber wir planen jetzt erst einmal eine zweite Staffel mit normalen Protagonisten.

Haben Sie denn gleich mehr Folgen bestellt?

Ja, wir bestellen eine längere zweite Staffel, aber jetzt auch nicht gleich 20 Folgen. Wir wollen die Event-Qualität bewahren. Menschen zu bewegen, das gelingt uns übrigens nicht nur mit „Naked Attraction“. Wir haben das unlängst auch mit zwei Formaten eines ganz anderen Genres geschafft, in denen wir auf andere Weise unserem Claim „Zeig mir mehr!“ gerecht werden. In „Armes Deutschland“ und „Hartz und herzlich“ machen wir etwas sichtbar, was im Fernsehen oft unsichtbar ist: Armut. Das Thema ist eher schwierig, weshalb das keine sicheren Hits waren. Beide Formate fanden wir sehr stark in ihrer unterschiedlichen Herangehensweise. Sie haben unsere Erwartungen sogar übertroffen. Auch da werden wir künftig mehr machen.

Nackte Haut und echtes Leben. Fast ein neuer Claim für RTL II.

(lacht) Wir sind schon sehr gut positioniert und fühlen uns mit dem Profil, das wir haben, sehr wohl. Wir zeigen gerne echte Menschen mit echten Geschichten aus dem echten Leben. Wir sind der Reality-Sender Nr.1 in Deutschland. Im Wettbewerb der Zukunft wird uns diese klare Positionierung, so glauben wir, gut schützen.

Andreas Bartl© Magdalena Possert

Das klingt so, als ginge es RTL II ganz gut…

Wir sind ein wirtschaftlich gut aufgestelltes Unternehmen der zweiten Senderliga. Die Herausforderungen sind groß, aber das sind sie für alle Marktteilnehmer. Wir leben in einem digitalen Zeitalter mit einem stetig weiter wachsenden Angebot an Bewegtbild. Das sind andere Umstände als in der guten alten Zeit, in der die Privatsender die Aufmerksamkeit des jungen Publikums unter sich aufgeteilt haben. In diesem verschärften Wettbewerb muss man seine Größe und Relevanz bei den Zuschauern und Werbekunden behaupten, und das gelingt uns bisher.

Aber wie passt Ihre Wahrnehmung zu der Tatsache, dass RTL II im Mai den schlechtesten Monatsmarktanteil seit 15 Jahren erzielt hat?

Wenn wir das Problem der sinkenden Marktanteile unter den Privatsendern der ersten und zweiten Generation ganz exklusiv hätten, dann würde ich mich fragen: Was machen wir grundsätzlich verkehrt? Es ist aber eine Marktsituation, in der wir uns mit all unseren Wettbewerbern befinden. Alle großen Privatsender verlieren in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr - mit Ausnahme von Vox. Die Kollegen in Köln zeigen: Der Trend ist kein Schicksal, gegen das sich nichts ausrichten lässt. Wir arbeiten daran, selber wieder eine Reihe von Leuchttürmen ins Programm zu bekommen. Das ist unser erklärtes Ziel, aber dafür braucht man auch ein bisschen Spielglück. Und der gerade beendete Juli mit 5,7 Prozent bei den 14-49-Jährigen sah im Übrigen auch gleich schon sehr viel besser aus.

Mit der Positionierung als Reality-Sender erteilt RTL II eine relativ klare Absage an US-amerikanische Serienware, die über viele Jahre so attraktiv galt für deutsche Sender.

Wir haben mit „Game of Thrones“ und „The Walking Dead“ weiterhin die beiden besten US-Serien im Programm, aber wir konzentrieren US-Lizenzware weitgehend am Wochenende, wo wir auch Spielfilme zeigen.