Herr Böhning, Ihre Mitglieder klagen über steigende Kosten und schwindende Renditen. Warum ist es gerade jetzt so hart, Produzent zu sein?

Die aktuelle Lage der Branche ist deshalb so prekär, weil die Kosten aus dem Ruder laufen, während öffentlich-rechtliche wie private Sender und leider auch die Streaming-Plattformen ihre Budgets in engen Grenzen halten. Das hat zum einen zur Folge, dass erhebliches Auftragsvolumen aus dem Markt verschwindet, zum anderen ist es bei gedeckelten Budgets kaum möglich gewinnbringend zu produzieren – eine toxische Situation.

Und das, obwohl zumindest bis vor kurzem mehr denn je produziert wurde.

Wir sehen natürlich, dass die Nachfrage nach Bewegtbild weiterhin sehr hoch ist. Gleichzeitig stehen wir im Kino vor erheblichen Herausforderungen. Die Zuschauer kommen langsam zurück, aber noch nicht so stark, wie es notwendig wäre. Aus Sicht der Produzentinnen und Produzenten muss 2023 zum Jahr des Kinos werden. Wir wollen doch mehr deutsche Geschichten im In- und Ausland erzählen, die begeistern.

Dass die Herstellungskosten an allen Ecken und Enden steigen, ist ja objektiv feststellbar. Wie kann es sein, dass die Produzenten in diesem Maße darauf sitzen bleiben?

Die Auftraggeber refinanzieren in aller Regel nicht die kompletten Produktionskosten. Sie sind geneigt, die Gewinne und Handlungskosten der Produzenten so zu drücken, dass diese in die Budgets der Redaktionen passen. Das ist zwar leider kein neuer Umstand – aber in einer Lage, in der wir für die vergangenen drei Jahre eine jährliche Kostensteigerung von sechs Prozent erhoben haben, wird das zur handfesten wirtschaftlichen Bedrohung. Hinzu kommt: Wenn schon nicht die kompletten Produktionskosten durch die Auftraggeber refinanziert werden, dann müssten die Produzenten zumindest mehr Rechte und Lizenzen behalten, um beispielsweise im Ausland auf eigenes Risiko den Erfolg zu suchen. Aber das wollen Sender und Streamer mehrheitlich nach wie vor nicht. Dieses alte Modell des totalen Ausverkaufs kreativer Leistungen ist aber aus meiner Sicht überholt.

Angesichts des riesigen Programmbedarfs ist es doch erstaunlich, dass Produzenten nicht mehr Druck ausüben und Aufträge mit unterfinanzierten Herstellungskosten schlicht nicht annehmen.

Das passiert aktuell ständig, seit die Inflation so stark angestiegen ist. In der Vergangenheit waren die Produzenten in Deutschland meist gezwungen zu sagen: Hauptsache, wir haben ein hohes Auftragsvolumen, und die ausverhandelten Kosten sind dann eben so, wie sie sind. Mittlerweile gibt es einen klaren Schwenk hin zu einer anderen Sichtweise: Wir können und wollen nur noch Budgets verantworten, die nicht zur Selbstausbeutung führen. Ansonsten verschwinden nämlich immer mehr kleinere und mittlere Unternehmen aus dem Markt oder werden von Großen aufgekauft. Auch wenn gewisse Marktbereinigungen normal sind, wollen wir eine vielfältige mittelständische Produktionslandschaft erhalten, die Kreativität und Wettbewerb fördert – und bitte keine Landschaft, in der am Ende nur ganz wenige riesige Produktionsunternehmen – vielleicht sogar in Sender- oder Streamer-Hand – überleben. Wenn wir diese extreme Marktkonzentration verhindern wollen, brauchen wir auskömmliche Budgets. Das dürfte zur Folge haben, dass künftig insgesamt weniger beauftragt wird, aber die einzelne Produktion dann eben angemessener budgetiert ist.

 

Eine Inflation von sechs bis acht Prozent, die nur teilweise refinanziert wird, führt automatisch zu Umsatzrenditen von fünf Prozent und niedriger.
Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz

 

Das große Produzentensterben, das Sie andeuten und von dem schon während der Pandemie die Rede war, ist bislang ausgeblieben.

In der Tat sind einige Unternehmen gar nicht so schlecht durch die Pandemie gekommen, was sicher mit den hervorragenden Arbeitsschutz- und Hygieneregelungen zu tun hatte, dem Entgegenkommen der Auftraggeber bei den Hygienekosten, der staatlichen Hilfe und vor allem auch damit, dass die Nachfrage nach Bewegtbild extrem angestiegen ist. Die Situation, in der wir uns jetzt befinden, ist leider viel schwieriger: Eine Inflation von sechs bis acht Prozent, die nur teilweise refinanziert wird, führt automatisch zu Umsatzrenditen von fünf Prozent und niedriger. Das bedeutet, dass keine Eigenkapitalbildung möglich ist und kein eigenes Geld in künftige Projekte investiert werden kann. Deshalb habe ich vorhin auch von einer toxischen Situation gesprochen.

Wie viel können Sie als Verband allgemein erreichen und wie viel liegt im Verhandlungsgeschick einzelner Produzenten?

Als Verband können wir in den Gesprächen mit den Sendern natürlich nur eine Basis legen – grob geschätzt betrifft das nicht mehr als 30 Prozent dessen, was nachher als kalkulationsfähig angesehen wird. Darüber hinaus liegt es an den Produzentinnen und Produzenten, die Marktpreise für ihre Projekte auszuhandeln. Wir versuchen ja seit Jahren, die Rahmenbedingungen durch entsprechende Vereinbarungen mit den Sendern zu verbessern, was uns bei den Öffentlich-Rechtlichen durchaus gelingt, bei den Privaten und den Streamern jedoch deutlich schwieriger ist.

 

Die großen internationalen Streamer zahlen in Deutschland keine nennenswerten Steuern, obwohl sie hier einen großen Markt mit riesiger Nachfrage haben.
Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz

 

Ohne den Gesetzgeber dürfte es schwer werden, jemals in eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe mit Sendern und Streamern zu gelangen.

Stimmt. Würde die Politik etwa eine Investitionsverpflichtung für Streamer einführen, wie es sie schon in mehreren europäischen Ländern gibt, dann könnte die Augenhöhe schneller erreicht werden, weil Streamer und Produzenten dann miteinander über Rechteteilung, Vermarktung und weltweiten Vertrieb sprechen müssten. Es wäre ein wichtiges politisches Signal, wenn die Bundesregierung einfordern würde, dass es auch bei uns eine Verpflichtung zur Investition in lokale Werke gibt.

Aufgrund Ihrer persönlichen Erfahrung können Sie besonders gut einschätzen, welche politischen Forderungen Gehör finden und welche nicht. Wie optimistisch sind Sie?

Claudia Roth kommt ja am Donnerstag zu unserem Produzententag, und wir sind gespannt, welche Vorschläge sie dort machen wird. Wir schätzen die Zusammenarbeit und Gesprächsatmosphäre mit ihr als vertrauensvoll, konkret und verlässlich. Ich merke zunehmend auch, dass es in der Berliner Politik eine hohe Unterstützung für unsere Forderung nach einer Investitionsverpflichtung gibt. Und zwar aus naheliegenden Gründen: weil die kulturelle Vielfalt gestärkt würde, wenn mehr Investment in deutsche und europäische Werke fließen würde, und weil die öffentliche Finanzierung des Film- und Fernsehmarkts – von der ja auch Serien und Filme der Streamer profitieren – mit jährlich knapp 500 Millionen Euro an Fördermitteln relativ hoch ausfällt. Wenn die öffentliche Hand ein Kultur- und Wirtschaftsgut so stark mitfinanziert, dann darf sie im Gegenzug auch ein entsprechendes privates Engagement erwarten. Dieses geht bei den großen internationalen Streamern bislang gen null. Sie zahlen in Deutschland keine nennenswerten Steuern, obwohl sie hier einen großen Markt mit riesiger Nachfrage haben. Dass wir in eine Situation geraten, in der Produzentinnen und Produzenten zur verlängerten Werkbank von Streaming-Plattformen degradiert werden, kann politisch nicht gewollt sein.

Die Produzentenallianz hat zuletzt mehrfach eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags gefordert, weil ARD und ZDF nun mal mit Abstand die größten Auftraggeber ihrer Mitglieder sind. Bleiben Sie auch jetzt dabei?

Die Bedarfsanmeldungen von ARD und ZDF werden bald bei der KEF eingehen und ich habe großes Vertrauen in deren gewissenhafte Prüfung. Diesen Prozess sollten wir abwarten. Allerdings kann ich mir schwer vorstellen, dass die Teuerungen im Markt nicht dazu führen, dass auch der Rundfunkbeitrag Anpassungen erfährt. Klar ist auch: Aus unserer Sicht gibt es im öffentlich-rechtlichen System so einige Ressourceneffizienzen, die noch nicht ausgeschöpft sind. Was wir aber entschieden ablehnen, ist, dass die notwendigen Einsparungen in den Anstalten allein zulasten des Programms gehen. Das hätte nicht zuletzt auch große negative Auswirkungen auf die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst.

Mehrere Ministerpräsidenten haben sich bereits klar gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ausgesprochen.

Ich bin etwas überrascht über diese vorschnelle Argumentation einiger politisch Verantwortlicher. Das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Aufwand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die KEF staatsfern überprüft wird, sollte nicht unterlaufen werden. Das ist auch Verantwortung gegenüber unserer Mediendemokratie. 

Herr Böhning, herzlichen Dank für das Gespräch.

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