Auch beim Frühstücksfernsehen lieben es die USA extrem: Die Konkurrenz steht noch früher auf als andernorts auf der Welt und sie kämpft mit allen Mitteln. Es komme durchaus mal vor, dass Produktionsmitarbeiter von Konkurrenzshows vor den Hotelzimmern von Gästen herumlungern und sie für den nächsten Tag abwerben, schrieb Autor Brian Stelter 2013 in „Top of the Morning - Inside the Cutthroat World of Morning TV“. 

Bei den News-Sendern beginnen schon um 4 Uhr die Früh-Schienen. MSNBC bleibt mit „Morning Joe First Look“ vorerst bei 5 Uhr, doch CNN hat seit einigen Monaten mit dem eine Stunde früher beginnenden „Early Start“ vorgelegt. Jetzt zieht auch FOX News nach und verlängert „Fox News & Friends First“ um eine Stunde nach vorne, so dass es auch dort vom 11. Oktober an auch schon um 4 Uhr losgeht. Um 6 Uhr schließt „FOX News and Friends“ an, so dass Donald Trumps meinungsstarke und alarmistisch-konservative Lieblingssendung nun jeden Morgen ganze fünf Stunden Sendezeit einnimmt. „Twittern kann jetzt viel früher beginnen“, kommentierte New-York-Times Reporterin Maggie Haberman lakonisch.

 

Abseits der infolastigen Nachrichtensendungen ist das Frühstücksfernsehen in den USA vor allem von einem martialisch als „Krieg am Morgen“ betitelten ewigen Zweikampf geprägt: „Today“ auf NBC gegen „Good Morning America“ auf ABC - vom etwas nachrichtenlastigeren Drittplatzierten „This Morning“ bei CBS ist so gut wie nie die Rede. 

„Today“ ist dabei landesweit der Veteran und flimmert seit 14. Januar 1952 über die Bildschirme. „Wir sind in NBCs weltweitem Kommunikationszentrum im Herzen von Radio City, New York. Wir sind mit der Welt verbunden. Wir werden Ihnen sagen, was heute passiert. Mein Name ist Jack Lescoulie“, waren seinerzeit die ersten Worte und ähnlich wie in Deutschland gut 35 Jahre später war das Konzept revolutionär. Kaum eine Familie nutzte ihr Fernsehgerät im Wohnzimmer am frühen Morgen. Doch „Today“-Produzent Pat Weaver fragte sich, warum das so war - schließlich hörten die Menschen auch sofort nach dem Aufstehen Radio. In internen Memos gab er deshalb das Ziel aus, dass seine TV-Show wie diese Radioshows als Begleitrauschen im Hintergrund funktionieren sollte. Weavers Plan ging auf: Viele Elemente vom Hauptmoderator und seinen Sidekicks, über den obligatorischen Wetterbericht, bis hin zu den persönlichen Gags sind bis heute erhalten geblieben. Seine Sendung hat das Mediennutzungsverhalten weltweit für immer verändert und dafür gesorgt, dass die Menschen ihr Gerät auch den Rest des Tages auf NBC eingestellt ließen. Bis heute hat „Today“ normalerweise bei Zuschauern zwischen 25 und 54 Jahren die Nase knapp vorn. 

„GMA“ dagegen startete 1975 als Nachfolger des nur wenige Monate laufenden und extrem glücklosen „A.M. America“. ABCs lokale Ableger seien damals so verzweifelt gewesen, dass sie damit drohten, morgens NBC oder CBS auszustrahlen, erinnert sich Stelter in seinem Buch über die Morningshows. ABC positionierte GMA als noch leichter konsumierbare Alternative, statt Nachrichtenkräften führten Moderatoren mit Schauspiel-Hintergrund durch die Sendung. Heute liegt die Show üblicherweise bei den Gesamtzuschauern knapp vorne, obwohl die Unterschiede marginal sind: Beide Sendungen erreichen in der Regel je zwischen vier und viereinhalb Millionen Zuschauer, rund ein Drittel davon in der werberelevanten Zielgruppe. CBS kommt auf etwa dreieinhalb Millionen. Trotz der sehr ähnlichen Zahlen ist die Konkurrenz unerbittlich, die Sender lieben es, mit einer Spitzenposition am Morgen anzugeben. Als 2012 „GMA“ nach 16 Jahren erstmals wieder „Today“ überholte, soll ABC die Feier im New Yorker Firmensitz live in viele Auslandsbüros übertragen haben, berichtet Stelter in seinem Buch. Neben Prestige geht es um harte Dollar: Zu dritt kämpfen die Shows um einen geschätzt eine Milliarde Dollar großen Werbemarkt jährlich.

In New York stehen dutzende Fans vor dem Studio 

Gemeinsam ist allen Shows das bunte Spektakel, deren Mischung die New York Times so beschreibt: „Zuschauer dieser Sendungen (meistens Frauen, wer hätte es gedacht) wollen angeblich eine kleine Portion echter Nachrichten, einen großzügigen Klacks Klatsch und Unterhaltungs-Blabla, eine Prise Küchentipps und einen Schluck Wettervorhersage.“ Die Moderatoren dieser Shows simulieren dauergrinsende Familienmitglieder, Sticheleien vor der Kamera inklusive. 

Gedreht werden beide Sendungen live vor Ort in New York, NBC filmt direkt downtown im Rockefeller Center, ABCs Studio für GMA liegt nur fünf Blocks südlich davon direkt an Times Square und Broadway. Auf der Straße stehen frühmorgens bereits Dutzende Fans, Touristen halten Schilder hoch, auf denen sie in ihre Heimatstädte grüßen. Angesagte Pop-Acts hauen noch vor dem zweiten Kaffee ihre größten Hits raus. 

Keine Frage: Wirklich politisch ist das alles nicht und auch die Wahl Donald Trumps hat das Konzept der Shows nicht verändert. Dass selbst versierte Nachrichtenstars am US-Morgen domestiziert werden, zeigt die aufsehenerregendste Neuerung der letzten Wochen, der Start von „Megyn Kelly Today“, auf NBC um 9 Uhr, direkt im Anschluss an zwei Stunden „Today“.  

Ihre Show war mit Spannung erwartet worden, doch erste Kritiken waren verheerend. Kelly mühte sich, zum Start Distanz zur bisherigen Arbeit zu schaffen und begrüßte die Zuschauer mit einem volkstümlichen: „Irgendwie bin ich mit Politik durch.“ - „Unangenehm und ohne tieferen Sinn“, bilanzierte der New Yorker. Die Moderatorin, die auf FOX News für ihren harten Fragestil viel Lob bekam, wirke wie „Frankensteins Braut“ und habe eine Sendung erschaffen, die an den Stärken der Moderatorin vorbeigehe, urteilte die Washington Post. Sollte sich der Misserfolg fortsetzen, wird das für Kelly zum Problem - ihr jährliches Gehalt liegt geschätzt bei absolut primetimewürdigen 23 Millionen Dollar.

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