In Wien und Umgebung entsteht derzeit die erste Eigenproduktion von RTL Crime, die der Pay-TV-Sender in Zusammenarbeit mit dem ORF und der Produktionsfirma Superfilm stemmt. "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" ist ein Remake des gleichnamigen Film-Klassikers von Fritz Lang aus dem Jahr 1931. Noch bis Mitte April entstehen sechs 50-minütige Folgen. Nun haben RTL Crime und der ORF einigen Journalisten in Wien einen Einblick in die Dreharbeiten gegeben.

Der Weg bis hierhin war steinig: Eigentlich wollte Produzent und Regisseur David Schalko die Miniserie mit der ARD Degeto umsetzen. Die sprang jedoch ab und das Projekt wackelte. Dann fand er mit seiner Superfilm in RTL Crime doch noch einen passenden Partner. Der Sender hatte in der Vergangenheit bereits die Schalko-Serien "Braunschlag" und "Altes Geld" gezeigt. "Das Gesamtpaket war so perfekt, wir mussten das einfach machen", sagt Klaus Holtmann, Leiter digitale Spartenkanäle bei der Mediengruppe RTL, im Gespräch mit DWDL.de. Man habe mit der Serie ein Projekt, das auf jeder Ebene relevant sei, so Holtmann. "Das beginnt mit der Marke ‘M’ und zieht sich bis zu den Machern und den Schauspielern. Und inhaltlich ist die Serie sowieso sehr relevant, gerade auch durch die politischen Ebenen."

In der Miniserie geht es wie im Film um eine Stadt, in der Kinder zunächst spurlos verschwinden. Nach und nach werden ihre Leichen gefunden. Für die Boulevardpresse ist das ein gefundenes Fressen, die Polizei erlebt eine Reihe von Niederlagen. Politisch ist die Mordserie ein großes Problem, gleichzeitig ist es für den aufstrebenden Innenminister eine Chance, um sich zu profilieren. Und dann schaltet sich auch die Unterwelt ein: Aufgrund der umfassenden Berichterstattung in der Presse und den Razzien der Polizei können die ganz normalen Gangster ihren Geschäften nicht mehr nachkommen.

Ein nettes Gimmick ist die Tatsache, dass die Erwachsenen in der Serie keine Namen haben, sondern stets nur ihre Rollen genannt werden (Der bleiche Mann, der Verleger, Elsies Mutter etc.). Die toten Kinder dagegen haben sehr wohl echte Namen. Mit Verena Altenberger, Lars Eidinger, Moritz Bleibtreu, Udo Kier, Bela B und vielen weiteren hat man auch einen ziemlich prominenten Cast zusammengestellt. Eine weitere Hauptdarstellerin soll die Stadt Wien sein, in der die Serie spielt. Der Film war 1931 noch in Berlin angesiedelt.

M - Eine Stadt sucht einen Mörder© ORF/Ingo Pertramer
"Die Ärzte"-Mitglied Bela B. spielt in "M" den "bleichen Mann".

Die Serie wird wohl recht düster und passt daher auch besser zu RTL Crime als zum Hauptprogramm. Mit der fortlaufenden Handlung, den komplexen Charakteren und der hochwertigen Machart sei die Serie genau das, "was ein Pay-TV- oder SVoD-Publikum haben will", sagt Holtmann. "Die Mediengruppe RTL hat den Anspruch, möglichst viele Menschen zu erreichen. Welche wir bislang nicht so sehr bedient haben, ist das Publikum, das wir mit ‘M’ anvisieren. Also eher das klassische SVoD-Publikum." Für RTL Crime seien auch nicht andere Free-TV-Sender die größten Konkurrenten, sondern Netflix und Amazon, sagt Holtmann.

Um mit deren Produktionen mithalten zu können, neben die Beteiligten nun vergleichsweise viel Geld in die Hand. Das Budget von "M" liegt bei rund sechs Millionen Euro. Finanziert wird das neben ORF und RTL Crime auch über den Fernsehfonds Austria und den Filmfonds Wien. So kommen mit Förderungen schon fast zwei Millionen Euro zusammen. Die Beta Film ist zusätzlich mit an Bord und kümmert sich um den Weltvertrieb. Das Interesse aus dem Ausland sei bereits groß, heißt es von Beta - Konkreteres ist hier bislang aber noch nicht zu erfahren.

"Ich hätte gerne mal bei einer Serie die Zeit, die andere für Kinofilme haben. Das wäre ein Traum."

David Schalko

Für Produzent und Regisseur David Schalko könnte es aber auch noch ein wenig mehr Budget sein. Er sagt, für das, was man vorhabe, habe man eigentlich "wenig Budget". Grundsätzlich ist er aber glücklich darüber, "M" als Serie zu machen und nicht etwa als Film. "Für so viele Stränge, Milieus und Figuren kann ich in einer Serie eine ganz andere Erzähltiefe erzeugen als in einem Film." Aber Schalko kennt auch die Vorteile des Kinos: "Ich hätte gerne mal bei einer Serie die Zeit, die andere für Kinofilme haben. Das wäre ein Traum." Auf eine Fortsetzung von "M" müssen sich Fans übrigens keine Hoffnungen machen: Schalko macht grundsätzlich immer nur eine Staffel, dann zieht es ihn zu neuen Projekten. So wird es auch dieses Mal sein.

Interview mit David Schalko

Der "M"-Film aus dem Jahr 1931 gilt als einer der bedeutendsten Werke der Filmgeschichte. "Na klar hat man auch Hemmungen, einen solchen Klassiker neu zu machen", sagt David Schalko, der mit seiner Frau Evi Romen auch das Drehbuch geschrieben hat, gegenüber DWDL.de. "Wir haben 100 Mal diskutiert, ob wir das wirklich umsetzen sollen und uns so vielleicht in die Nesseln setzen. Aber ich finde die Idee des Vergleichs einer Stadt in den 30er Jahren, am Vorabend des nationalsozialistischen Regimes, reizvoll." Die Situation sei mit der heutigen Zeit durchaus zu vergleichen, sagt Schalko. Die aktuelle Lage lasse sich aber noch nicht ganz greifen und definieren. "Ich würde es nicht als Faschismus bezeichnen, aber wir sind an einem sehr problematischen Punkt, was unser Demokratieverständnis anbelangt."

Trotz der Tatsache, dass es sich um ein Remake handelt, ginge es nicht darum, sich mit Fritz Lang zu messen, sagt Schalko. Man wolle etwas Neues erschaffen. "Wenn es was mit Lang zu tun hat, dann ist es ein Tribut an ihn." Grundsätzlich sollen aber auch aktuelle Themen eingebaut werden, die es so damals 1931 nicht gab: Fake News, die Macht von Social Media und der skrupellose Boulevard-Verleger, der alles für die Auflage macht. Und dann spricht Schalko noch etwas an, das aufgrund des aktuellen Facebook-Datenskandals aktueller denn je erscheint: "Unser Menschenbild und die Tatsache, wie sich Menschen kontrollieren lassen, da erreichen wir gerade ein neues Level, das so eine Art der Erzählung interessant macht."

Ganz klar: Wie schon in den früheren Produktionen von David Schalko wird auch dieses Mal in "M" nicht mit Gesellschaftskritik gespart. Die Frage nach gut und böse wird in der neuen Serie allgegenwärtig sein. Die Dreharbeiten, die seit Anfang des Jahres laufen, waren nicht immer einfach. Schalko bezeichnet den bisherigen Weg als "steinig und anstrengend", gibt sich mit dem Ergebnis aber zufrieden. Schwierig war es zum Beispiel für die Macher, die vielen Schnee-Szenen gut umzusetzen. Weil es in Wien lange Plusgrade hatte, musste der Schnee in LKWs angekarrt und mühsam verteilt werden. Auf den Schnee wollte Schalko aber nicht verzichten: Dieser sei nicht nur atmosphärisch wichtig, sondern spiele auch inhaltlich eine wichtige Rolle. Als es in Wien im Februar endlich zu schneien begann, waren die entsprechenden Szenen längst abgedreht.

M - Eine Stadt sucht einen Mörder© ORF/Ingo Pertramer
Ein Teil des "M"-Teams beim Dreh in Wien.

Für die Zusammenarbeit mit RTL Crime findet Schalko lobende Worte. Er sagt zwar, dass es mit mehr Partnern naturgemäß komplizierter würde, bei diesem Projekt habe es aber relativ wenige Diskussionen gegeben. "Der Vorteil von RTL Crime ist, dass die ja nicht den klassischen RTL-Konzern verkörpern", sagt Schalko. Klaus Holtmann von RTL, der als Ko-Produzent mit dabei ist, pflichtet bei: "Das schlimmste ist ein Redakteur, der bei jeder Szene als zweiter Regisseur mit reinredet. Das ist die Geschichte mit den vielen Köchen. Wir haben die Bücher zusammen entwickelt, über den Cast gesprochen und entschieden, wo die Reise grundsätzlich hingehen soll. Aber dann muss man dem Regisseur auch machen lassen und ihm vertrauen."

Eigenproduktionen: Holtmann will mehr

Grundsätzlich soll "M" für RTL Crime nur der Anfang im Bereich der Eigenproduktionen gewesen sein, Holtmann will in Zukunft immer mal wieder in solche Leuchtturm-Projekte investieren. "Die Idee ist schon, mehr zu machen", sagt er. Natürlich kann der vergleichsweise kleine Sender nicht ein so hohen Output wie Vox oder gar RTL liefern, Holtmann hält eine hochwertige Serie pro Jahr für realistisch. "Es geht nicht zentral um die Budgets oder die Folgenanzahl", sagt Holtmann. Wichtig sei es, "Leuchtturm-Fernsehen" für ein SVoD-Publikum herzustellen, um diese Menschen auch auf das restliche Programm des Senders aufmerksam zu machen.

Zu sehen gibt es "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" im kommenden Winter. Wann genau, können die beteiligten Sender derzeit noch nicht sagen. Ein wenig wird es auch darauf ankommen, wie die Serie am Ende letztlich geworden ist. Derzeit spielen die Verantwortlichen auch mit der Idee, die Serie im Rahmen der nächsten Berlinale zu präsentieren. Das ist derzeit aber noch Zukunftsmusik, erst einmal laufen die Dreharbeiten noch für rund zwei Wochen.

Klaus Holtmann weist darauf hin, dass "M" in Deutschland zunächst nur bei RTL Crime zu sehen sein wird. Anders ist es ja etwa bei "jerks", das bereits kurz nach der Premiere bei Maxdome bei ProSieben läuft und damit nur wenig Anreize liefert, sich ein Maxdome-Abo zu kaufen. "Es wird einen angemessenen Abstand geben, die Marktregel liegt ja bei sechs bis zwölf Monaten. Vorher wird ‘M’ nirgendwo anders zu sehen sein", sagt Holtmann. Man müsse auch erst einmal schauen, zu welchem Sender der Mediengruppe die Serie passt - und ob es dort einen geeigneten Sendeplatz gibt. "Es kann auch sein, dass es nie im Free-TV laufen wird." Bei RTL Crime will man sie auf jeden Fall auskosten, die erste Eigenproduktion des Senders.