Zwei Freundinnen beschließen, so lange wach zu bleiben wie möglich. Was folgt, sind 86 schlaflose Stunden, in denen C. und Nike, wie die beiden heißen, alles mit ihrer Kamera festhalten, was sie in der kleinen Wohnung inmitten einer Sozialbausiedlung und später auch draußen, im verregneten Ghetto, erleben. Und das ist so einiges: Sie werden angegriffen, verlieren ihr Geld und gehen in immer düstere Orte. Sie lernen einen Mann kennen, lassen sich auf einen Roadtrip mit ihm ein und werden mehr und mehr mit ihren Ängsten und Träumen konfrontiert, später sogar mit dem Tod.

So sieht es also aus, wenn funk einen Film macht. "Wach" nennt sich das Coming-of-Age-Projekt, für das sich funk mit dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF zusammengetan hat. Es ist der Debütfilm von Kim Frank, dessen Stimme wohl viele noch von Echt im Kopf haben dürften – jener Jugendband, die Ende der 90er Jahre mit Songs wie "Du trägst keine Liebe in dir" oder "Junimond" eine Zeit lang erfolgreich war. Bis heute arbeitet Frank, inzwischen 36, als Regisseur für Musikvideos und gewann für Udo Lindenbergs "Durch die schweren Zeiten" vor einiger Zeit sogar einen Echo.

Nun also "Wach" – ein Herzensprojekt für den gebürtigen Flensburger, der bei dem Projekt nicht nur als Regisseur arbeitete, sondern auch als Drehbuchautor, Kameramann, Cutter und Produzent tätig war. Die Idee zu dem Film reichte er ursprünglich bei funk ein. Dort war man zwar begeistert, stieß aber an Grenzen, weil funk bis dato keine Langfilme realisierte. Deshalb kam Milena Seyberth ins Spiel. "Gemeinsam haben wir überlegt, wie das gehen könnte", erinnert sich die ZDF-Redakteurin des Kleinen Fernsehspiels im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Wir fanden es ein spannendes Experiment zu sagen, wir zeigen einen Film bei YouTube, im Universum von funk und gleichzeitig läuft der Film auch im ZDF und in der ZDF-Mediathek."

Genau so wird es nun auch tatsächlich kommen. Während sich im ZDF bloß ein Sendeplatz am späten Abend fand, läuft "Wach" von diesem Montag an bereits ab 20 Uhr im Netz. "Für einen einzelnen 90-minütigen Spielfilm ist das ein spannendes Distributionskonzept und wir sind sehr gespannt, wie es ankommt", so Seyberth, die schon früh vom Potenzial des Stoffs überzeugt war. "Ich konnte mir sofort vorstellen, dass Kims Filmstoff auch ein sehr junges Publikum, unsere funk-Zielgruppe, auf YouTube erreichen könnte." Die Distribution spielte danach aber zunächst keine Rolle mehr. "Wir haben geschaut, dass wir zuerst ein spannendes Drehbuch entwickeln, danach einen in sich schlüssigen Film drehen und schneiden."

"Für mich war und ist klar: Ich muss Geschichten erzählen. Ich will Filme machen."
Kim Frank

Die Plattform, für die der Film produziert wird, kam für Seyberth erst wieder im Feinschnitt ins Spiel, wie sie sagt – verbunden mit einigen Fragen: "Sind unsere Zuschauer von der ersten Minute an involviert und bleiben dran? Haben wir alles getan, um auf der Platt YouTube sichtbar zu werden und unsere Community bei der Stange zu halten? Aber da hatte Kim immer, vom Musikvideo kommend, ein sehr feines Gespür." Erst dessen Erfahrung im Musikbereich sei die Voraussetzung für das sehr dynamische Drehbuch gewesen, ist die ZDF-Redakteurin überzeugt. "Das Buch hat mich in seinen Bann gezogen. Den Sog, den man meines Erachtens jetzt auch beim fertigen Film spürt, war auch schon beim Lesen sichtbar."

Dass der Film tatsächlich produziert werden konnte, hatte Kim Frank zwischenzeitlich aber selbst nicht für möglich gehalten. "Sieben Jahre lang habe ich versucht, meinen ersten Film finanziert zu bekommen", sagt er. "Fast 100 Musikvideos, zahlreiche Drehbücher und Konzepte für Filme und Serien später war Aufgeben trotzdem keine Option. Für mich war und ist klar: Ich muss Geschichten erzählen. Ich will Filme machen." Den Ausschlag gab letztlich digitaler Fotoapparat, der er sich vor ziemlich genau zwei Jahren anschaffte. "Er lag neben mir auf dem Schreibtisch. Plötzlich dachte ich: Damit kann ich einen Film machen. Ich mach ihn für wenig Geld. Stell ihn auf YouTube."

Dann erinnerte er sich an die Stoffidee mit den beiden Freundinnen, die ihm eine Freundin Jahre zuvor erzählt hatte. In fünf schlaflosen Tagen und Nächten, wie er sagt, schrieb Frank schließlich die Geschichte. "Das Drehbuch war zwar 'low budget', aber dennoch zu teuer, um es außerhalb des Systems zu finanzieren. Dazu meine YouTube-Vision. Wieder schien alles unmöglich." Die Band Dat Adam, die nun auch den Titelsong zu "Wach" beisteuert, war es, die ihn mit funk in Verbindung brachte – und dann ging alles doch noch vergleichsweise schnell.

Ziemlich genau ein Jahr lang wurde mit der Redaktion an der Umsetzung von "Wach" gearbeitet. Jana McKinnon und Alli Neumann, 19 und 20 Jahre alt, spielen die Hauptrollen in dem Film, für den immerhin ein Budget von 600.000 Euro bereitgestellt wurde. Mit dem Ergebnis ist Kim Frank zufrieden. "Mir ist bei allem, was ich mache, immer eins am wichtigsten: Es muss das Beste sein, was ich zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben unter den gegebenen Voraussetzungen machen konnte", sagt er. "Und genau das kann ich über meinen ersten Film sagen."

Das ZDF zeigt "Wach" am späten Montagabend um 0:05 Uhr, auf YouTube und in der ZDF-Mediathek steht der Film schon ab 20:00 Uhr zum Abruf bereit.