Manchmal ist es das Unausgesprochene, das die Befindlichkeit eines Senders zum Ausdruck bringt. Als ProSieben am Sonntagmorgen die ersten Tweets absetzte, verlor der Sender kein Wort zu den Quoten, die gerade ins Haus geflattert waren. Aus gutem Grund: Nur 670.000 Zuschauer wollten am Abend zuvor die Spielshow "Beginner gegen Gewinner" mit Joko Winterscheidt sehen, in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen lag der Marktanteil bei nur 5,7 Prozent und damit meilenweit unter den Normalwerten des Senders. Die bisherigen Negativ-Rekorde wurden noch einmal kräftig unterboten.

Ein Ausrutscher – könnte man meinen. Wären da nicht die Tiefschläge der vergangenen Wochen. Ende August hatte ProSieben seinen Show-Neustart "Time Battle – Kämpf um deine Zeit" nach nur einer Folge vorzeitig aus dem Programm genommen, nachdem der Marktanteil der Premieren-Ausgabe bei weniger als fünf Prozent gelegen hatte. Die übrigen schon produzierten Folgen zeigte der Sender vor vermutlich sehr überschaubarem Publikum im Netz.

Wenig später musste dann auch "Schlag den Henssler" ein neues Tief hinnehmen, was Steffen Henssler dazu veranlasste, die Brocken vorzeitig hinzuwerfen (DWDL.de berichtete). Seine Begründung klang plausibel: "Der Zuschauer will mich in dieser Rolle nicht sehen und das muss man einfach akzeptieren." Nimmt man dieses Zitat als Maßstab, dann gilt das aktuell für so ziemlich alles, was ProSieben in diesen Wochen am Samstagabend zeigt. Selbst Joko und Klaas sind keine Quotengaranten, wie "Beginner gegen Gewinner" zeigt – oder auch "Die beste Show der Welt", die eine Woche zuvor ebenfalls so schlecht lief wie noch nie.

Schlag den Henssler© ProSieben / Willi Weber

Elton und Steffen Henssler

Entsprechend groß dürfte in Unterföhring die Verunsicherung sein. Dabei hatte Senderchef Daniel Rosemann zu Beginn der Saison große Stücke auf die Formate gehalten. "Wir investieren in die große Samstagabendunterhaltung und arbeiten daran, dass wir mehr Abende mit frischen Shows haben und weniger Samstage, die wir mit Spielfilmen überbrücken", sagte er im Sommer im Interview mit DWDL.de. Fragt man jetzt bei ProSieben nach, wie es um die Shows bestellt ist, gibt es Durchhalteparolen zu hören. "Der ProSieben-Samstag hat eine sehr lange Show-Tradition, daran ändern vier Wochen nichts", sagt ein Sendersprecher.

Zugleich verweist er auf "eine Reihe neuer Samstags-Shows", die bis Weihnachten folgen sollen. Dazu zählen die "ProSieben Wintergames", "Weihnachten mit Joko und Klaas" und die Team-Ausgaben von "Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt". Dazu kommen "Schlag den Star", das anstelle von "Schlag den Henssler" laufen wird, sowie vier Ausgaben von "Alle gegen Einen" mit Elton. Letztere Sendung startet schon in eineinhalb Wochen. Floppt auch sie, ist der Samstags-GAU für ProSieben perfekt.

Familienshows werden ProSieben gefährlich

Worauf die Quotenschwäche der vergangenen Wochen zurückzuführen ist, lässt sich nur erahnen. Sicher ist allerdings, dass es generell immer schwerer geworden ist, die ganz jungen Zuschauer, die ProSieben mit seinen Shows ja ansprechen will, vor den Fernseher zu locken, zumal an einem Samstagabend. Auf eine TV-Verabredung von vier Stunden oder mehr wollen sich offensichtlich nicht mehr allzu viele zwischen 14 und 29 Jahren einlassen. Das belegt auch die Sehdauer der vergangenen Tage: Bei kaum mehr als 70 Minuten lag der Durchschnittswert in dieser Zielgruppe zu Wochenbeginn – und das im Oktober. 

Hinzu kommt die harte Konkurrenz am Samstagabend: Noch immer ist Dieter Bohlens "Supertalent"-Suche mit Marktanteilen um 20 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen bei RTL eine Bank, dazu kommen nicht selten ein oder zwei weitere Shows im Gegenprogramm. Insbesondere die ARD ist zur ernsthaften Konkurrenz herangereift, die mit "Verstehen Sie Spaß?" oder "Ich weiß alles!" auch in der klassischen Zielgruppe zuletzt oft vor ProSieben lag. "Wer weiß denn sowas? XXL" holte hier kürzlich starke 13 Prozent und war selbst bei den 14- bis 29-Jährigen zweistellig.

Anders als ProSieben gelingt es den ARD-Shows, ein breiteres Publikum anzusprechen. Wenn Elton und Bernhard Hoëcker die Fragen von Kai Pflaume beantworten, dann ist das beste Familienunterhaltung und eben sowohl für Jüngere als auch Ältere guckbar. Joko und Klaas haben zwar eine beachtliche Fangemeinde unter den ganz jungen Zuschauern, tun sich aber schon schwer, die Zuschauer jenseits der 40 anzusprechen. Gerade mal 3,5 Prozent Marktanteil verbuchte ihre "Beste Show der Welt" kürzlich bei den 40- bis 49-Jährigen. Als Stefan Raab noch vor der Kamera stand, war die Situation anders gelagert. Auf ihn konnte sich längst nicht nur das junge Publikum verständigen. Da aber insbesondere die ganz jungen Zuschauer unter 30 immer seltener das lineare Fernsehen einschalten, tragen gute Marktanteile in dieser Altersgruppe auch immer weniger zu einem guten Gesamtschnitt bei.

Ein weiteres Problem der ProSieben-Shows könnte in ihrer Gleichförmigkeit liegen. Ob "Schlag den Henssler", "Beginner gegen Gewinner" oder die bald folgenden "Wintergames": Womöglich hat es der Sender mit den sportlichen Wettbewerben und Mann-gegen-Mann-Duellen schlicht ein wenig übertrieben. Wenn dann noch ein Sport-Kommentator aus dem Off das Geschehen kommentiert, ist der Eindruck vom "More of the same" perfekt. Will ProSieben die Tradition seiner Samstagabend-Shows fortschreiben, werden neue Ansätze nötig sein. Bis dahin ruhen die Hoffnungen vorerst auf Eltons Schultern.