Seit es die "Tagesschau" gibt, gleichen deutsche Fernsehnachrichten meist wie ein Ei dem anderen. Sicher, die Schwerpunkte mögen unterschiedlich sein, doch in der optischen Aufbereitung sehen sich die Formate stets ähnlich. Selbst die privaten Newskanäle muten bisweilen an wie eine ausgedehnte Variante klassische Nachrichtensendungen. Das ist nicht per sé schlimm, aber ein nicht gerade unwichtiges Detail, wenn es um die Bewertung des neuen TV-Senders geht, den Springers Bild an diesem Sonntag an den Start bringen wird.

Claus Strunz © Sat.1/Oliver Ziebe Claus Strunz
"Zweifellos", sagt Programmchef Claus Strunz, "haben wir uns orientiert am amerikanischen Nachrichtenfernsehen." Das stand zu befürchten, lässt aber durchaus aufhorchen, weil der deutsche TV-Markt damit um eine Facette reicher wird, die es in den Augen vieler nicht zwangsläufig gebraucht hätte. Das amerikanische Nachrichtenfernsehen zeichnet sich schließlich zumeist nicht durch Ausgewogenheit und Seriosität aus, sondern durch Polarisierung und Krawall.

Fox News ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Längst haben sich viele Nachahmer gefunden, die noch stärker dazu neigen, Partei zu ergreifen - und dabei auch nicht davor zurückschrecken, dreiste Lügen zu verbreiten. Welchen Weg Bild im Fernsehen einschlagen wird, gilt es freilich abzuwarten, doch die vergangenen Monate, in denen "Bild Live" immer wieder mit Online-Livestreams auf Sendung ging, gaben bereits einen ersten Vorgeschmack. Die zweifelslos vorhandenen Ambitionen waren da bereits zu erkennen - etwa in der US-Wahlnacht oder beim Streit innerhalb der Union, wer Kanzlerkandidat werden soll, den "Bild"-Vize Paul Ronzheimer mit beinahe minütlich eintrudelnden SMS zum Krimi aufbauschte.

Ronzheimer war es aber auch, der Ende des vergangenen Jahres, als es in Wien zu einer Schießerei in der Wiener Innenstadt kam, zusammen mit dem "Bild"-Team gefährliche Falschmeldungen verbreitete. Und nach dem Hochwasser inszenierte sich ein Reporter-Duo, indem es sich, mit Gummihosen bekleidet, bis zum Bauchnabel in den Schlamm stellte.

Im TV winken hohe Werbeerlöse

Dass es Bild ins Fernsehen zieht, ist indes nicht verwunderlich, winken doch hier hohe Werbeerlöse, mit denen der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend der Auflagenzahlen aufgefangen werden soll. Allzu groß dürfte die Durchschlagskraft zumindest zum Sendestart aber nicht werden, zumal erst mal nicht mit einem Millionenpublikum zu rechnen ist und sich die Live-Strecke zunächst auf fünf Stunden am Tag fokussieren wird, zu der sich noch Talks und Magazine wie etwa "Fahndung Deutschland" gesellen. Den Rest füllt Bild mit Sportsendungen und Dokus, wie man sie schon heute bei Welt, dem anderen Springer-Sender, sehen kann. 

Wie ernst die TV-Aktivitäten von der Politik genommen werden, zeigt jedoch schon die Tatsache, dass es sich Armin Laschet und Olaf Scholz nicht nehmen lassen, direkt am ersten Sendetag im abendlichen Polittalk "Die richtigen Fragen" aufzutreten. "Bild" spricht bereits von der "Kanzlernacht" und umrahmt die Show mit einem Countdown und einer Analyse, bei der neben "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt auch Claus Strunz nicht fehlen wird.

Doch der Fokus soll nicht nur auf der großen Politik liegen. "Wir sind die Heimat der Helden", kündigte Strunz im Vorfeld an. "Wir meinen damit Helden des Alltags: die Polizistin, der Feuerwehrmann, die Krankenschwester, der Gebäudereiniger, die Kneipen-Wirtin - kurz: die wahren Leistungsträger. Menschen, die mit den Auswirkungen politischer Entscheidungen zu kämpfen haben. Ihnen wollen wir Gesicht und Stimme geben." Ob sich damit Quote machen lässt, werden die kommenden Monate zeigen.

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