Dass es Probleme mit dem linearen Sender RT DE geben würde, war schon Monate vor dem eigentlichen Start abzusehen. Anfang 2021 kündigte der russische Staatssender einen deutschsprachigen Ableger an - und schon damals wunderten sich deutsche Medienaufseher, wie das eigentlich gehen soll. Hierzulande gilt bei der Vergabe von Rundfunklizenzen nämlich das Prinzip der Staatsferne. Und die ist bei RT, das aus dem russischen Staatshaushalt finanziert wird und als Sprachrohr des Kreml gilt, nicht gegeben. 

Schon damals äußerten Politikerinnen und Politiker ihre Zweifel, wie RT DE an eine deutsche Lizenz kommen will. Und Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW (LfM), sagte damals vielsagend in der "Bild", dass man das Staatsfernegebot "im Hinter- und Vorderkopf" haben müsse, wenn es um die Frage einer Lizenz für den russischen Staatssender gehe. 

Und doch hat die Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten in der vergangenen Woche für viel Wirbel gesorgt. Diese hatte RT DE den Betrieb des Senders untersagt - eben weil keine gültige Lizenz vorliegt. Dass es eine solche braucht, um senden zu dürfen, bestreitet RT DE nicht einmal selbst. Dort verweist man aber auf eine serbische Lizenz, die einem angeblich das Recht einräume, in Deutschland zu senden. Und weil der juristische Weg, den RT DE nun einschlagen wird, offenbar noch nicht ausreicht, hat Russland ein Arbeits- und Verbreitungsverbot der Deutschen Welle beschlossen (DWDL.de berichtete). 

Die Entscheidungsträger sind ein erster wesentlicher Unterschied in der ganzen Sache. Während in Deutschland die staatsferne Medienaufsicht entschieden hat, kamen die Maßnahmen gegen die Deutschen Welle vom russischen Außenministerium. Zudem dürfen russische Journalistinnen und Journalisten, auch von RT, ganz normal aus Deutschland berichten - nicht so die Kollegen der Deutschen Welle aktuell in Russland. Und dann hat die Deutsche Welle schon seit vielen Jahren eine gültige Sendelizenz besessen - man hat sich also an die Regeln des Landes gehalten. Ganz im Gegensatz offensichtlich zu RT DE, das von der deutschen Medienaufsicht nun quasi als Piratensender gebrandmarkt wurde.

Konkret geht es im Fall von RT DE um die Frage, wer den Sender eigentlich betreibt. Die Medienaufsicht Berlin-Brandenburg (MABB) ist der Ansicht, dass es die deutsche RT DE Productions GmbH ist. RT sagt: Das ist nur eine deutsche Produktionsfirma und der eigentliche Sender sitze in Moskau, wo auch alle relevanten Entscheidungen getroffen werden.  

Diese Nachweise hat die Medienaufsicht

Eva Flecken © Studio Monbijou Eva Flecken
Von MABB und ZAK heißt es, man habe viele Beweise zusammengetragen, die belegen würden, dass eben doch in Berlin bei der RT DE Productions wesentliche Entscheidungen fallen - in dem Fall wäre eine deutsche Lizenz tatsächlich unumgänglich. Eva Flecken, Direktorin der MABB, sagt im Gespräch mit DWDL.de, die Nachweise seien vielschichtig. "Es sind unter anderem Eigenaussagen, so hat die Geschäftsführerin der RT Productions GmbH mehrfach öffentlich angekündigt, den Sender in und aus Berlin heraus zu starten. Es gab aber auch eine große Recruiting-Initiative, ausgeschrieben waren dabei auch solche Stellen, die darauf hinweisen, dass die redaktionelle Verantwortung und Entscheidungen sehr wohl hier in Berlin getroffen werden."

Eine entsprechende Pressemitteilung zum Start des Senders hat RT DE mittlerweile von seiner Webseite entfernt - womöglich weil man darin eben unter anderem erklärte, in und aus Berlin zu senden. Öffentlich einsehbar ist aktuell aber noch ein Facebook-Post der Russischen Botschaft in Deutschland. Die machte am 29. Januar 2021 auf den Senderstart aufmerksam und schrieb, RT DE werde "in Berlin live auf Sendung" gehen. 

Die MABB hatte der RT DE Productions schon damals vorsorglich einen Brief geschickt und darauf aufmerksam gemacht, dass ein linearer Sender zulassungspflichtig wäre und auch das Gebot der Staatsferne gelte. Danach versuchte RT DE in Luxemburg eine Sendelizenz zu erhalten, was dort aber mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der deutschen Medienaufsicht abgelehnt wurde. Im gleichen Zeitraum änderte sich auch das Impressum auf der Webseite von RT DE. Plötzlich war dort nicht mehr die deutsche Firma angegeben, sondern die TV-Novosti aus Moskau. Auch das hat die deutsche Medienaufsicht registriert. 

 

"Wir sind sicher, dass wir anhand der Nachweise und Indizien, die wir zusammengetragen haben, belegen konnten, dass die RT DE Productions GmbH Veranstalterin des Senders ist."
MABB-Direktorin Eva Flecken

 

Über mehr Nachweise will Eva Flecken von der MABB nicht sprechen, schließlich wird es wohl bald zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen. Da will sich die MABB noch nicht zu sehr in die Karten schauen lassen. Flecken ist aber guter Dinge, gegenüber DWDL.de sagt sie: "Wir sind sicher, dass wir anhand der Nachweise und Indizien, die wir zusammengetragen haben, belegen konnten, dass die RT DE Productions GmbH Veranstalterin des Senders ist."

Doch die medienrechtliche Situation kann sich schnell ändern. Wenn RT DE tatsächlich mit Sack und Pack nach Moskau geht und in Deutschland nur noch ein kleines Korrespondentenbüro betreibt, könnte es tatsächlich so sein, dass man keine deutsche Lizenz mehr benötigt. Was RT aber tun muss, um auch in den Augen der Medienaufsicht ein russisches, und kein deutsches Produkt zu sein, ist unklar. Letztlich geht es um die Frage, wo die redaktionellen Entscheidungen getroffen werden und wo der wesentliche Teil des mit dem Programm betrauten Personals sitzt. "Der Sachverhalt hat deutschen Boden nie verlassen", zeigt sich Eva Flecken sicher. 

Die Sache mit der serbischen Lizenz

Tobias Schmid © Landesanstalt für Medien NRW Tobias Schmid
Dass der RT-Mutterkonzern TV-Novosti eine serbische Lizenz hat, macht nach Angaben der deutschen Medienhüter keinen Unterschied. "In der jetzigen Konstellation ist es egal, wo der Lizenzantrag gestellt wird. Der Sachverhalt bleibt immer ein deutscher", erklärt Tobias Schmid, der nicht nur Direktor der LfM ist, sondern auch Europabeauftragter der Direktorenkonferenz der Medienanstalten (DLM), gegenüber DWDL.de. Die serbische Lizenz habe in diesem Fall "so oder so keinen Legitimierungseffekt", sagt Schmid, der deutlich macht, dass nicht primär das zähle, was die RT DE Productions GmbH behaupte zu sein. "Auch hier gilt der Grundsatz: Was geht, spricht und riecht wie eine Ente, ist eine Ente. Auch wenn sie sagt, sie sei ein Frosch."

RT DE geht nun juristisch gegen die Entscheidung der ZAK vor. "Dass RT DE die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen kann, ist der Sinn eines Rechtsstaats. Das mag uns von anderen Staaten unterscheiden", sagt Tobias Schmid. Wie lange das ganze Verfahren dauert, ist unklar. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es nun zu einer langen Hängepartie kommt. Noch sendet RT DE jedenfalls sein Programm - trotz der eigentlich unverzüglich umzusetzenden ZAK-Entscheidung. Es sei schwer zu prognostizieren, aber sie gehe nicht von einer jahrelangen Hängepartie aus, so MABB-Chefin Eva Flecken.

 

"Es gilt der Grundsatz: Was geht, spricht und riecht wie eine Ente, ist eine Ente. Auch wenn sie sagt, sie sei ein Frosch."
LfM-Direktor Tobias Schmid

 

Auch ein Eilverfahren würde vor Gericht wohl mehrere Wochen dauern - ganz zu schweigen von einem Hauptverfahren, das sich daran anschließen könnte. Die RT DE Productions GmbH kann vor Gericht einen einstweiligen Rechtsschutz im Eilverfahren beantragen. Die MABB könnte dann erklären, dass sie die Vollstreckung einstweilen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aussetzt oder das Gericht erlässt einen sogenannten Hängebeschluss, der dann einstweilen feststellt, dass RT DE weitersenden darf oder nicht. Entscheidet das Gericht zu Ungunsten des Senders, würden die Töne aus Moskau wohl noch rauer. 

RT-Chefredakteurin: "Sieg in Stalingrad"

Schon nach der Entscheidung der ZAK war von "Vergeltungsmaßnahmen" die Rede, die kurz darauf auch umgesetzt wurden und die Deutsche Welle trafen. Die martialische Sprache aus Russland mag einige Beobachter, wie zum Beispiel die des Deutschen Journalisten-Verbands (die an Putin appellierten, das Sendeverbot gegen den deutschen Auslandssender aufzugeben) überraschen, neu ist sie aber nicht. Schon 2014 schrieb RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan, dass man sich in einem "Medienkrieg" befinde. Ihrer Kriegsrhetorik setzte sie kurz nach der ZAK-Entscheidung noch eins drauf. Am 2. Februar twitterte sie: "Unabhängig davon erinnere ich die deutsche Regulierungsbehörde daran, dass heute der Jahrestag von Stalingrad ist. Sieg in Stalingrad."

Die von Russland angekündigten und umgesetzten Vergeltungsmaßnahmen haben eine Reihe von empörten Reaktionen hervorgerufen, sowohl aus der deutschen Politik als auch aus der EU. Dass das etwas ändern wird, ist wohl nicht anzunehmen. Eva Flecken, Tobias Schmid und mit ziemlicher Sicherheit auch viele ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Medienanstalten dürfen bis auf Weiteres wohl erst einmal nicht nach Russland einreisen. Entsprechende Maßnahmen hatte Russland angekündigt, ohne aber Namen der sanktionierten Personen zu nennen. 

Auch die DW hat keine deutsche Rundfunklizenz

"Die Politisierung nehmen wir zur Kenntnis und die Ereignisse der letzten Tage lassen mich nicht unberührt", so Eva Flecken über die Auswirkungen, die die Entscheidung der ZAK nach sich gezogen hat. "Dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass die Medienaufsicht in Deutschland staatsfern organisiert ist. Die Medienanstalten agieren frei von politischen Interessen." Und Tobias Schmid kann auch positive Dinge aus dem aktuellen Fall erkennen. Zwei Dinge hätten gut funktioniert, sagt der LfM-Direktor und nennt zuerst die Staatsferne der Medienaufsicht. "Die Sache ist ein Fall für die Medienaufsicht und die ist tätig geworden, sonst niemand. Es erfolgte auch kein Versuch einer Einflussnahme, obgleich die Situation für die Bundesrepublik sicherlich ein unangenehmer Sachverhalt ist."

Zum anderen habe auch die europäische Kooperation geklappt, so Schmid. "Vom Eutelsat-Satelliten ist RT DE nach wenigen Tagen verschwunden. Das ist auch der Zusammenarbeit mit unseren europäischen Schwesterbehörden zu verdanken." Der russische Staatssender ist inzwischen zwar auf einem anderen Eutelsat-Satelliten verfügbar, das ist aber deutlich komplizierter als zuvor und wohl auf ein undurchsichtiges Verfahren bei Eutelsat zurückzuführen, wo Plätze auf Satelliten durch diverse Untervermietungen weitergegeben werden können. 

Die föderale Aufstellung der Medienaufsicht ist übrigens auch auf den Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Danach forderten die Alliierten entsprechende Veränderungen, damit es eben keinen Einfluss eines Staates mehr auf einen Sender geben kann. Die Staatsferne ist auch der Grund, weshalb die Deutsche Welle keine deutsche Rundfunklizenz besitzt und nur im Ausland sendet. Und auch wenn RT DE und Deutsche Welle inhaltlich kaum weiter auseinander liegen könnten, in diesem Punkt sind sie ziemlich ähnlich. Weil sie von einem Staat finanziert werden, bekommen sie in Deutschland keine Rundfunklizenz. Eva Flecken formuliert es gegenüber DWDL.de diplomatisch und sagt, man würde einen Lizenzantrag von RT DE prüfen, so wie man alle Anträge prüfe. Doch an den Fakten ändert sich nichts: Stellt sich der Sender nicht völlig auf den Kopf, wird es keine deutsche Lizenz geben. So war es übrigens auch schon vor drei Jahren

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