Spontanität und Vertiefung – das wollten ARD, ZDF, RTL und Sat.1 mit ihrer moderaten Reform des biederen TV-Duells erreichen. Doch das ist nichts für Angela Merkel. Weil die Kanzlerin keine Lust darauf hat, sich den Fragen von zwei getrennten Moderatoren-Paaren zu stellen, kommt es beim diesjährigen TV-Duell erneut zu der unsinnigen Konstellation mit zwei Politikern und vier Journalisten. Das ist weder im Interesse der Zuschauer noch im Interesse der Sender, die ja schon seit einigen Jahren damit leben müssen, sich auf ein TV-Duell zu beschränken. Auch in diesem Fall ist es im Übrigen die CDU, die die Spielregeln bestimmt. Doch weil ein Zweikampf mit nur einem Teilnehmer wenig Sinn ergibt, werden im September zum wiederholten Male gleich vier Kanäle zähneknirschend ein und dieselbe Sendung übertragen.

Aus Sicht der Wahlkampfstrategen im Konrad-Adenauer-Haus mag das Sinn ergeben – vor allem, wenn am Ende einer Debatte nicht viel mehr hängen bleiben soll als eine schwarz-rot-goldene "Schland"-Kette und ein nichtssagendes "Sie kennen mich". Die Wahrheit ist: Das Publikum kennt die sonst omnipräsente Kanzlerin eigenltich gar nicht so richtig, weil sie sich zwar gerne auf der Weltbühne bewegt, die Fernsehbühne jedoch schon seit Jahren weitestgehend meidet. Und wenn die Lage es doch einmal erfordert, dann kommt Angela Merkel nur dann, wenn Anne Will keine weiteren Gäste auf ihren Ledersesseln platziert. Zur Not, wie während der Flüchtlingskrise geschehen, sogar zwei Mal innerhalb von nur vier Monaten. Seit der Strom der Flüchtlinge nachgelassen hat, sah man die Kanzlerin dagegen nur selten in TV-Talks. Wozu auch? In ihrem Podcast muss sie schließlich keine kritischen Fragen fürchten.

Das ginge vermutlich auch so weiter, stünde da nicht diese Wahl vor der Tür. Da muss sich die Regierungschefin eben doch mal blicken lassen. In der Wahlarena der ARD oder beim "Townhall-Meeting" mit Peter Kloeppel. Und eben bei diesem einen TV-Duell. Das Duell ist übrigens längst nicht das einzige Wahl-Format, das bei nüchterner Betrachtung für Kopfschütteln sorgt. Denn auch im Falle des "TV-Fünfkampfs", den die ARD für den Tag nach dem Duell in Aussicht gestellt hat, scheint es, als diktiere die Union gewissermaßen die Spielregeln: Neben Vertretern von Grünen, Linken, FDP und AfD darf dort auch ein Teilnehmer der CSU Platz nehmen. Was zunächst logisch erscheint, weil die CSU mit gut sieben Prozent der Stimmen bei der letzten Bundestagswahl ja tatsächlich zu den kleinen Parteien zählte, entpuppt sich letztlich jedoch als schöner Vorteil für die Union, weil sie so in gleich beiden Sendungen vertreten ist.

Es ist ein Vorteil, der einzig dem besonderen Umstand geschuldet ist, dass die CDU in Bayern nicht antritt. Und so wird beim "Fünfkampf" also die Stimme der Union zu hören sein, nicht aber die Stimme der SPD. Fraglich, warum man dann nicht gleich alle an einen Tisch holt. Wirklich fair ist der Fünfkampf nun jedenfalls nicht – zumindest nicht, so lange sich CDU und CSU auf einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten verständigen. Dass die CSU mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann darüber hinaus einen eigenen Spitzenkandidaten für den Freistaat ins Rennen schickt, wie die ARD zurecht auf Nachfrage bemerkt, macht die Sache nur unwesentlich besser. Der Vorteil für eine der beiden großen Bundestags-Fraktionen bleibt, und man kann ganz gut ahnen, wie groß der Aufschrei der Union wäre, säße die CSU nicht mit am Tisch.

"Runde der Spitzenkandidaten" ohne Spitzenkandidaten

Wer bei ARD und ZDF die Vertreter all jener Parteien sehen möchte, die sich berechtigte Hoffnungen auf einen Einzug in den Bundestag machen können, muss sich übrigens bis zum 21. September gedulden. Weil das "TV-Duell" nach Angaben der ARD jedoch das einzige Aufeinandertreffen von Angela Merkel und Martin Schulz im Vorfeld der Wahl sein wird, ist davon auszugehen, dass die Kanzlerin auch bei der "Schlussrunde der Spitzenkandidaten" mit Abwesenheit glänzen wird. Daran hat man sich inzwischen allerdings längst gewöhnt. Schon 2009 sagte Merkel ab – aus Termingründen, wie es damals hieß. Sie hatte vermutlich Wichtigeres zu tun, als vor einem Millionen-Publikum um Stimmen zu werben.

An ihrer Stelle sollte der damals beliebte Ministerpräsident Christian Wulff ihren Platz einnehmen. Weil jedoch auch der damalige SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier fehlte, ließ das ZDF die Sendung sausen, was nicht nur den Chefredakteur Nikolaus Brender erzürnte. "Die Verweigerung von Kanzlerin und Kanzlerkandidat beschädigt die demokratische Kultur", schäumte dieser einst und hatte die Opposition auf seiner Seite. 2013 wunderte sich dagegen kaum noch jemand darüber, dass weder Kanzlerin noch Herausforderer in der "Runde der Spitzenkandidaten" saßen – sondern Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel. Hier wäre es an den Sendern, die Muskeln spielen zu lassen: Wenn Merkel nicht will, dann bleibt ihr Platz eben leer.

Ein Duell auf vier Sendern, ein etwas unausgegorener "Fünfkampf", eine Runde der Spitzenkandidaten ohne Spitzenkandidaten: All das zeugt von einem, sagen wir, interessanten Verständnis von politischer Diskussion. Alarmierender ist eigentlich nur, dass sich daran mittlerweile kaum noch jemand zu stören scheint.

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