Eine Fernsehsendung, in der hochambitionierte Hobbytüftler ihre Erfindungen vor Profis vorstellen, die beurteilen, ob sich daraus ein einträgliches Geschäft machen lässt – sowas müsste man mal erfinden! Wenn’s das nicht schon gäbe. Deshalb geht ProSieben in seiner neuen Wochenendshow einfach einen Schritt zurück und lässt Nicht-Profis darüber entscheiden, ob die aus dem Hobbykeller ins gleißende Studiolicht gezerrten Ausdenker „Das Ding des Jahres“ gebaut haben.

So heißt zumindest die Erfindershow-Variante, mit der ProSieben seit dieser Woche auch ein bisschen davon profitieren möchte, dass sich das deutsche TV-Publikum derzeit gerne davon unterhalten lässt, wie nützliche Überflüssigkeiten mal ordentlich durchkommerzialisiert werden. Also zum Beispiel: die 10-Sekunden-Zahnbürste, Toilettenpapier in Taschenform, eine automatische Cocktailmixmaschine oder ein Modellrennauto, das sich per App-Steuerung so realistisch steuern lässt wie sein echtes Vorbild.



All diese kleinen Weltverbesserungen hat das Studiopublikum in der Erstausgabe von Stefan Raabs Show-Neuerung eine Runde weiter gelassen, um ihnen eine Chance aufs Finale zu schenken. In dem treten am Ende alle Sieger noch einmal gegeneinander an, um den virtuellsten Preis zu gewinnen, der jemals im deutschen Fernsehen vergeben wurde – einen 2,5 Millionen schweren Werbedeal mit der Sendergruppe ihres Vertrauens. (ProSiebenSat.1 zahlt den Sieger sozusagen in Naturalien aus.)

Die Regeln sind diesmal nicht ganz so kompliziert wie in anderen Raab-Produktionen. Dafür ist die Sendung aber auch nur ein Viertel so spannungsgeladen. Das ist ein Problem. Jedenfalls wenn es drei Stunden dauert, bis acht Erfindungen ausführlich übererklärt, betatscht und überdengrünenkleegelobt wurden.

Schwer zu vergleichen

Das liegt auch an der fehlenden Abwechslung: Obwohl manche Erfindung durchaus originell ist oder zumindest besonders kauzig von ihrem Schöpfer präsentiert wird, bleibt die Abfolge immer dieselbe. Zwei Kandidaten treten mit Tüfteleien, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben und schwer zu vergleichen sind, gegeneinander an. Das Saalpublikum entscheidet, wen es besser findet. Dazwischen testet eine prominente Jury die Ideen am eigenen Leib – zunächst ohne direkten Einfluss darauf, wer weiterkommt.

Für die Prominenz sorgt in diesem Fall: Joko Winterscheidt, der neben seiner TV-Karriere als wandelnder Selbstversuch zudem als Start-up-Investor bekannt ist – oder wie’s „Ding“-Moderatorin Janin Ullmann formulierte: „Du bist auch als Unternehmer unterwegs, teilweise recht erfolglos.“ An Jokos Seite strahlt die ProSieben-Eigenzucht Lena Gercke, deren Eignungserwerb der Sender wie folgt beschreibt: „Sie ist juryerfahren und kennt sich aus mit den Trends in Deutschland.“ Komplettiert wird das Trio vom spröden Einkaufschef einer großen deutschen Supermarktkette, der sich nicht mal für den Auftritt im Fernsehen den Handelsmanager-typischen Langweileranzug hat ausreden lassen.

Zur Premiere provozierten alle drei regelmäßig Lacher aus dem Publikum, weil die Kamera ihre ratlos-ungläubigen Gesichter dabei einfing, wie sie den Endlosausführungen der Erfinderin eines hutkompatbilen Fahhradhelms lauschten und den Herrn nicht zu bremsen wagten, der euphorisch und detailgetreu nacherzählte, wie er in stun-den-langer Kleinarbeit seitliche Abgießlippen und Ablauföffnung seines Honiglöffels ausgegrübelt hat.

Gut, viele Kandidaten mögen mit ihren Erfinden Lösungen für Problemchen gefunden haben, die zweifellos existent sind; aber deswegen noch lange nicht freitagabendfüllend. Erst recht nicht, wenn alle so nett zueinander sind, dass es an jeglicher Reibungsmöglichkeit fehlt.

Das Erste, übernehmen Sie!

Das bedeutet nicht, dass die Idee schlecht wäre. Im Gegenteil: „Das Ding des Jahres“ könnte jederzeit ohne allzu große Anpassungen auch im Ersten laufen. Für ProSieben-Verhältnisse allerdings fehlt es der Show ganz massiv an Fallhöhe und Tempo. Das – durchaus liebevoll gestaltete – Studio mit den beiden Erfindergaragen nebst Einfamilienhauskulisse, die aussieht als sei sie in den 90er Jahren ein- und jetzt wieder ausgetuppert worden, trägt das Übrige dazu bei.

Kurz gesagt: „Das Ding des Jahres“ geht vielleicht als Beleg dafür durch, dass der alte Fernsehhase und Dooshkopf-Ausdenker Stefan Raab hinter der Kamera inzwischen in seiner Frank-Elstner-Spätphase angekommen ist. Und ganz sicher auch als sympathisch-solide TV-Unterhaltung für die ganze Familie in der dem deutschen Fernsehen leider nicht mehr abzugewöhnenden Überlänge.

Nur halt nicht zwangsläufig für den We-Love-To-Entertainment-Sender, der’s sonst in seinen Shows so gerne krachen lässt. Vielleicht braucht der Prototyp auch einfach noch ein bisschen mehr Arbeit. Bisher fehlt dem „Ding des Jahres“ nämlich einfach – wie sagt man unter Erfindern? Ach ja: Serienreife.