Als die erste Staffel von „Jerks“ erschien, waren Serienfans wie Branche gleichermaßen gespannt auf die erste ProSieben-Serie nach langer Zeit, die man marketingtechnisch wertvoll wenige Wochen vorab als erste deutsche Maxdome-Serie inszenierte. Und die Serie mit Christian UIlmen und Fahri Yardim fand sehr schnell Fans. Hans Hoff schrieb für DWDL.de begeistert über die weitgehend improvisierte Comedyserie. Ich habe sie dann auch an einem Sonntagabend durchgeschaut. Das war gute Unterhaltung. Die leidenschaftliche Ekstase des Kollegen Hoff ging mir aber ein bisschen zu weit. Echt gut, ja. Aber kein Überflieger.

Aber es gab neben dem Lob aus seiner Ecke auch viel Applaus für „Jerks“ weil der Humor so derbe war. Drastischer werden, um anders zu sein? Ein Argument mit dem sich in den USA oft auch HBO in Extremen ergeht. Mancher gröhlte, weil über Mösen, Sperma und Geschlechtsteile gesprochen wurde. Das waren Fans, die sich nicht um die neue Form der Improvisation scherten - sie hatten einfach Spaß. Auch das ist natürlich legitim. Wann immer mir ein Fan von „Jerks“ begegnete, fragte ich mich stets, zu welcher Gruppe er wohl gehören würde.

Vergangene Woche dann die Premierenfeier der 2. Staffel von „Jerks“. Maxdome und ProSieben haben in den Berliner Zoo-Palast geladen. Einen Tag vorher erwischt mich eine Erkältung. Ich bin zwar in Berlin, überlege aber tatsächlich, ob ich wohl gehen sollte. Wirklich wohl fühlte ich mich nicht und man trifft ja doch viele Kolleginnen und Kollegen. Die Neugier schlägt die Vernunft und ich schleiche mich rein. Beinahe unter dem Radar. Kurz Wolfgang Link, den Chef der ProSiebenSat.1-Sendergruppe begrüßt - und Karsten Röder, Geschäftsführer von Talpa Germany, der Produktionsfirma von „Jerks“. Sonst mit Tunnelblick rein ins Kino, Platz gesucht.

Zwei Stunden später. Die neuen Folgen von „Jerks“, sie hätten mich fast umgebracht. Hustend ins Kino zu gehen ist schon anstrengend genug. Es nervt einen selbst und stören will man die anderen Besucher ja auch möglichst nicht. Fatal wird es aber, wenn man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt. Husten und Prusten gehen ineinander über. Man schnappt nach Luft und möchte nur bitte bloß nicht jetzt verrecken (schließlich warten noch zu viele ungeguckte Serien). Anderseits: Ich wäre mit einem brüllenden Lachen gegangen. Könnte auch schlimmer sein.

Zurück im Hotel frage ich mich: Was war denn das? Habe ich die erste Staffel „Jerks“ so falsch in Erinnerung? Was Talpa Germany hier produziert hat und der Cast, allen voran Christian Ulmen und Fahri Yardim, spielen, ist großes Fernsehen. Was habe ich gelacht! Was für eine Spielfreude auf der Kinoleinwand - und nun auch auf jedem Screen. Ja, liebe Freunde der derben Sprache, ihr bekommt auch weiterhin eure flachen Lacher. Aber das sei Euch gegönnt, denn dahinter steckt so viel - ob ihr es erkennt oder auch nicht. Trailer tun dieser Serie unrecht, weil sie oft nur den Schenkelklopfer-Humor präsentieren, in dem viele Folgen münden. Aber wo bleibt da dann die Fallhöhe?

Was „Jerks“ in seiner zweiten Staffel auszeichnet, sind drei Dinge. Zunächst einmal ist die Spielfreude aller Beteiligten noch greifbarer. Was bei Serien mit fixem Drehbuch oft eine abgedroschene Phrase ist, hat bei einer weitgehend improvisierten Comedyserie wirkliche Bedeutung. Ulmen und Yardim wirken, erwartungsgemäß, noch besser aufeinander abgestimmt. Die Schlagfertigkeit ist überwältigend. Sie mündet in der zweiten Qualität der Serie: Manche Gags („Da tut man einmal was für Flüchtlinge“), jene oberhalb der Gürtellinie, sitzen einfach bombenfest im Sattel, egal ob nun vorher überlegt oder spontan eingefallen.

Was die von Maxdome vorab ausgewertete ProSieben-Serie aber so einzigartig im Konzert der Comedyserien macht - und dabei ist es egal ob wir sie mit deutschen Serien oder gar US-Produktionen vergleichen - ist dieses im wahrsten Wortsinn unheimliche Versprechen, dass jede Folge sich aus dem Alltäglichen heraus zum Desaster endet. Es ist das dritte und wichtigste Erfolgsgeheimnis der Serie. Die Geschichten der neuen Folgen beginnen fast alle so harmlos verglichen mit dem Chaos, in dem sie enden. Niemand eskaliert so furchtbar gut wie „Jerks“.

Die Serie schmerzt in ihren peinlichsten Momenten auch deshalb so sehr, weil wir das Dilemma haben kommen sehen. Und es noch dazu meist ursprünglich in Situationen entsteht, die jeder von uns schon mal erlebt hat. Wer ist beim Einkaufen nicht schon einmal jemandem absichtlich aus dem Weg gegangen? Oder hat eine Einladung angenommen und sich irgendwann gefragt, warum bloß? Das macht die Serie grundsätzlich so nahbar trotz all der prominenten Gastauftritte. Sie werden lässig integriert und bilden eher Bühne und vergrößern die Fallhöhe für manches Finale der zehn neuen Folgen. Guten Appetit, Andreas Bourani.

"Jerks" ist ab sofort bei Maxdome abrufbar. Die TV-Ausstrahlung erfolgt ab dem 8. Mai jeweils dienstags um 22:15 Uhr bei ProSieben.