Fast schon hat man sich daran gewöhnt, dass der Applaus bei Fernsehshows vom Band kommt, da zeigte uns der Eurovision Song Contest am Samstagabend, wie schön es doch sein kann, wenn wieder lautstark richtig geklatscht und leidenschaftlich gejubelt wird; wenn Menschen zusammen singen, feiern und gemeinsam Fahnen schwenken. Alleine schon deshalb hat sich dieser ESC in Rotterdam gelohnt.

Und auch sonst zeigte die fast vierstündige Live-Show aus Rotterdam, welche Kraft noch immer im Medium Fernsehen steckt. Da war diese großartige musikalische Bandbreite, die so viel mehr bot als den typischen ESC-Sound mit Glitzer und Windmaschine. Französische Chansons, islandischer Dance, italienischer Rock - abwechslungsreicher war der Eurovision Song Contest vermutlich selten zuvor. Thank you for the music!

Und dann dieses Bühnenbild: Der deutsche Bühnendesigner Florian Wieder hat einen farbenfrohes, vielschichtes Set entwickelt, das ebenso dezent sein konnte wie voll auf die Zwölf. Eine Bühne, die bunt, schrill, grell und fast immer in Bewegung war, gleichzeitig aber auch Raum bot für die stilleren Momente, in denen einzelne Interpretinnen und Interpreten zwar alleine in der großen Halle standen und doch nicht verloren wirkten.

Chance für deutschen Neuanfang  

Wie wunderbar! Dieser Eurovision Song Contest bot Fernsehen für alle Sinne nach einem langen, viel zu langen Corona-Jahr. Da wollte es aus deutscher Sicht irgendwann sogar kaum noch stören, dass schnell klar war, dass es für den eigenen Beitrag einmal mehr nur für einen Platz ganz am Ende reichte. Trotz wichtiger Botschaft kam Jendriks Song womöglich auch schlicht zur falschen Zeit: Die Lust nach echter Livemusik und die Sehnsucht nach Konzertfeeling drückte sich an diesem Samstag wohl kaum besser aus als beim Auftritt der späteren Sieger aus Italien.

Und so richtet sich der Blick nach dem ESC von Rotterdam schnell Richtung Zukunft - verbunden mit der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität. Ungeachtet dessen wird man beim NDR in den nächsten Monaten kaum an einer kritischen Bestandsaufnahme umherkommen. Mit dem Wechsel von Unterhaltungschef Thomas Schreiber zur Degeto bietet sich zugleich die Chance eines völligen Neuanfangs.

Sicher, der Song Contest hat Spaß gemacht. Aber noch schöner wäre es doch, wenn es mal wieder gelänge, echte ESC-Euphorie im Land auszulösen.

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