Bild: WDR/SachsAuch im Mai 2005 wusste Pocher schon, dass Gags unter der Gürtelinie am besten funktionieren, wie er im Interview mit der Zeitschrift "Galore" erklärte. "Ich lege es nicht ausschließlich darauf an, aber wenn es in dieser Ecke einen guten Gag gibt, dann sollte man ihn auch machen", sagte er. Hat er es mit Medienprofis zu tun, dann sollte man davon ausgehen, dass die damit umgehen können oder können sollten. So hält es sein künftiger Arbeitgeber Schmidt zu Weilen.

Doch diese Kategorien scheinen für Pocher nicht zu gelten. Auch im Umgang mit den 'normalen' Menschen, die erst durch die Begegnung mit ihm in die Schlagzeilen geraten, gibt es wenig Grenzen. "Natürlich weiß ich, dass hinter den Leuten persönliche Geschichten stecken. Aber es ist nicht mein Job, mich mit diesen Leuten in diesem Zusammenhang auseinander zu setzen", sagte er in der "Galore" über einen Kandidaten in seiner früheren ProSieben-Sendung "Rent a Pocher", der vor einem Millionenpublikum konsequent als Neo-Nazi dargestellt wurde, weil er gerne die Band "Böhse Onkelz" hört.

"Die Grenze zwischen Humor und 'Beleidigung' - in Anführungsstrichen - gibt es nicht", sagt Pocher in einem Interview mit dem Online-Ableger der Zeitschrift "Max" in diesem Jahr. „Ich von meiner Seite möchte ja niemanden beleidigen. Ich tue ja nur meine Meinung kund – und das relativ ungefiltert“, sagte er dort. Natürlich könnten seine Aussagen beleidigend wirken, wenn man bei den Objekten des Spotts die entsprechenden Punkte träfe, was ihm dann Leid täte, führt er weiter aus. „Kann ich aber auch nicht ändern und kann mich auch nicht mit jedem auseinander setzen, warum man das macht“.
 
 
Wohl keine gute Ausgangposition für ein exklusives Vertragsverhältnis mit einem Senderverbund, der nicht nur per Fernbedienung von den Zuschauern, sondern auch durch seine Gremien und die gesellschaftlichen Institutionen und ihrer Vertreter kritisch beäugt wird. Das sah einst auch Pocher so. "Ich bin schon eher breite Masse, als Arte oder WDR", sagte er in diesem Jahr der "TV Direkt". Auch sein Partner Jörg Grabosch, Geschäftsführer der Produktionsfirma Brainpool, die gemeinsam mit Pocher die Firma Pocher TV betreibt, bewundert den Mut der ARD. "Als Late-Night-Zuschauer und Gebührenzahler bin ich fast schon positiv überrascht, dass die ARD den Mut hat, Oliver Pocher, der eher ein Vertreter des Privatsender-Humors ist, an sich zu binden", sagte er im vergangenen Mai gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de über Pochers Wechsel.

So äußert sich auch WDR-Intendantin Monika Piel derzeit eher skeptisch über ihren Neuzugang. Garantieren könne keiner, dass Pocher zur ARD passe. Piels Humor vertrete er nicht. "Aber wir haben uns mit Oliver Pocher nicht auf zehn Jahre festgelegt. Es gibt auch keinen Vertrag mit ihm, sondern einen Vertrag zwischen Schmidt und Pocher", sagte sie jüngst im Berliner "Tagesspiegel". Letztlich liegt es nun an Schmidt, der in Pocher die ideale Besetzung sieht, seiner angeschlagenen Show wieder auf die Beine zu helfen, den Nachwuchsstar auf die ARD-Linie zu bringen und ihn mit der Kunstfertigkeit der kalkulierten Derbheit vertraut zu machen.

Schmidt ist ein Profi im Geschäft mit den anzüglichen Lachern und weiß aus eigener Erfahrung, wie weit man im verantwortungsbewussten öffentlich-rechtlichen Fernsehen gehen kann. Nicht nur die ARD könnte ihr Missfallen an Pocher finden. Pocher auch an ihr, sollten Rufe nach Mäßigung unter Umständen aufkommen. Er weiß noch nicht, wie die redaktionellen Mühlen der ARD mahlen - er hat ja noch niemanden dort kennengelernt. So könnte auch er nach den zunächst avisierten 22 Folgen der ARD wieder den Rücken kehren. Im Interview mit dem "Tagesspiegel" fasste Piel in klare Worte, an wem es liegt, dass aus dem PR-Coup Pocher ein Programmerfolg fürs Erste wird: "Für Schmidt steht auch einiges auf dem Spiel", sagte sie.
 
Der wiederum hat offenbar große Pläne mit Pocher. Er habe mit ihm als Hauptmoderator sogar eine eigene Sendung über 250 Folgen produzieren wollen, sagte Schmidt vor einigen Wochen im "Spiegel". Doch dazu sei Pocher noch nicht bereit. Er fühle sich noch nicht so weit. "Aber wir arbeiten daran", so Schmidt, der sich offen zu seiner wachsenden Unlust bekennt und dessen Job Pocher übernehmen soll. Bleibt abzuwarten, wie sich Schmidt als Lehrmeister im wahren Leben macht. Wenn Pocher und die ARD sich ein wenig im Zaum halten, könnte es klappen. Falls nicht, so wird das sicher nicht das Karriereaus für Pocher bedeuten. ProSieben hält ihm eine Tür offen. Auch die ARD würde ein jähes Aus - auch ein vertragsgemäßes - verkraften. Dünn wird die Luft dann nur für Harald Schmidt. Unter Umständen könnte sein Sendeplatz bei einem Scheitern der Pocher-Personalie verschwinden. Im schlimmsten Fall müsste er selbst weiterarbeiten.