Der Filmschnitt ist ein sprunghaftes Wesen. Einst nur selten gebraucht, machte er das hiesige Fernsehen lange Zeit zu einer behäbigen Sache. Später dann, in der Postmoderne, zappelten die Szenen so hektisch ineinander, dass man selbst beim „Tatort“ oft kurz vorm epileptischen Anfall stand. Was künstlerisch besser war, was schlechter, bleibt Auslegungssache. Was Alexander Fehling jedoch in einer Serie tut, die nächsten Herbst für Furore sorgen dürfte, ist keine Frage der Interpretation, sondern einfach nur sensationell: Er kocht Kaffee.



Allerdings nicht beiläufig wie fiktional – falls überhaupt – üblich, sondern zentral. Gut 60 Sekunden steht Fehlings Filmfigur in der Küche ihrer Luxusvilla und serviert einem Gast mit osteuropäischem Akzent Cappuccino. Kein Schnitt, kaum Sound, nur ein Stück profaner Alltag inmitten einer Geschichte, die vor Dynamik ansonsten zu strotzen scheint. So viel lässt sich nach ein paar Monaten Geheimniskrämerei seit gestern sagen über „BEAT“. Großbuchstaben – darunter macht es Amazon Prime nicht, wenn die Plattform nach „You are wanted“ die nächste deutsche Serienproduktion gemeinsam mit Warner Bros. vorstellt.

Der Streamingdienst hatte am Dienstag ins Berliner Soho House geladen. Dafür lümmeln sich die beiden Hauptdarsteller Karoline Herfurth und Jannis Niewöhner zwischen Produktion und Plattform ins hippe Mobiliar. Dafür wurde aus sieben Stunden fertigem Siebenteiler ein Trailer erstellt, der wirklich mal das Allerbeste hoffen lässt. Es geht darin, in aller Kürze, um das Partymonster Robert, genannt „Beat“ und sein Biotop: die Berliner Clubszene. Weil der Teilhaber seines bevorzugten Tanztempels ins internationale Verbrechen verstrickt ist, versucht ihn die Polizei mithilfe des drogenaffinen, aber gut vernetzten Robert zu kriegen.

Was folgt ist ein Thriller im Technosound einer Subkultur, die aus Sicht von Marco Kreuzpaintner viel zu selten spielerisch erzählt wird. In ‚Beat‘ erfahren wir daher viel über die Systematik dieser Parallelgesellschaft und ihrer Protagonisten“, erklärt der international renommierte Regisseur (Krabat), warum er diesen Stoff für Amazon entwickelt habe. Weil drogenschwangere Partyexzesse allein für längere Strecken als etwa das entfesselte DJ-Porträt „Berlin Calling“ vor zehn Jahren „ein bisschen zu inhaltsarm“ sei, musste indes noch mehr hinein. Waffendealer, Organhandel, Globalaction – wie gesagt: Warner, Amazon, Großbuchstaben.

Einen achtstelligen Betrag, berichtet der deutsche Prime Video-Chef Christoph Schneider spürbar stolz, sei ins deutsche High-Budget-Produkt für den Weltmarkt geflossen. Sehr viel Geld für eine Art „Babylon Berlin“ der Gegenwart, das zwar weniger glamourös wirkt, aber ähnlich viril. Zu viel Geld, könnte man nun befürchten, um von der wuchtig inszenierten Oberfläche einer eigens errichteten Clubkulisse aus, die von 500 einzeln gecasteten Komparsen tatsächlich dauerbefeiert wurde, in die Tiefe zu stoßen. Doch genau das gelingt dem cluberfahrenen Marco Kreuzpaintner so intensiv, dass förmlich Blut, Schweiß und Sperma vom Flatscreen tropfen.

Zum Ereignis scheint „Beat“ aber nur zu werden, weil es zwischen Party- und Crime-Sequenzen immer wieder für Entschleunigung sorgt. Das liegt zu einem Gutteil an Jannis Niewöhner als Titelfigur, der auch dank fehlender Schauspielausbildung so impulsiv von aufgekratzt zu seelenruhig agiert, als sei er selbst ein Borderliner auf Droge. Selten zuvor wurde die Jugendkultur authentischer inszeniert. Einen Cast voller prominenter Namen ergänzen auch etablierte Stars des deutschen Fernsehens - von Christian Berkel über Claudia Michelsen bis Karl Markovics. Das macht „Beat“ für Amazon Prime Video auf mehreren Ebenen möglicherweise spannender als „You are wanted“.

Doch die Liste der bekannten Namen, die bei „Beat“ mitspielen, endet noch lange nicht. Mit dabei sind des Weiteren auch Alexander Fehling, Kostja Ullmann, Hanno Koffler und Anna Bederke. Die Bücher der Serie stammen von Norbert Eberlein, der u.a. auch für den ARD-Kultklassiker „Großstadtrevier“ und die NDR-Serie „Neues aus Büttenwerder“ schreibt. Hochkarätige Namen, Kreative die ihr Handwerk verstehen und ein überzeugender Trailer: „Beat“ wirkt sehr vielversprechend.

Wenig überraschend denkt das auch Hauptdarsteller Jannis Niewöhner. Als er Freunden mal ein Handyvideo von den Dreharbeiten vorspielte, „hatte ich zum allerersten Mal das Gefühl, Gleichaltrige finden interessant, was ich so mache.“ Im Herbst, so scheint es, tanzt das Fernsehen. Auf Abruf, nicht linear.

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