Schon 2014 startete ProSiebenSat.1 seine App 7TV, 2016 bündelte die Mediengruppe RTL Deutschland ihre VoD-Angebote unter der Marke TV Now. Über Jahre hinweg fristeten die Angebote ein Schattendasein und erfüllten als digitales Feigenblatt ihren Zweck, wie DWDL.de vergangene Woche bereits analysierte. Doch nun kommt Tempo in die VoD-Pläne der deutschen TV-Konzerne. Nach der Mediengruppe RTL Deutschland, die vergangene Woche bei den Screenforce Days und nun noch einmal in zwei Interviews die strategische Bedeutung eines Ausbaus von TV Now betont, kommt die Antwort aus München.



ProSiebenSat.1 und Discovery beabsichtigen den gemeinsamen Aufbau einer noch namenlosen neuen Streaming-Plattform, die 7TV, Maxdome und Eurosport Player integrieren wird. So wie auch bei TV Now soll es neben einem werbefinanzierten Angebot auch ein kostenpflichtiges, werbefreies Paket zu attraktiven Preisen geben und dazu Premiumpakete mit Zugang zu exklusiven Sportübertragungen und Filmen. Die beiden Partner kündigen an, nicht nur maßgeschneiderte Inhalte entwickeln zu wollen, sondern auch umgehend in den Ausbau der Plattform zu investieren. Ein Team von über 200 Mitarbeitern soll den Start der Plattform in der ersten Jahreshälfte 2019 vorbereiten.

Max Conze© ProSiebenSat.1
Die Ziele sind ambitioniert, wie Max Conze (Foto), Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media SE ausführt: „Wir alle wünschen uns Unterhaltung, die uns begeistert – jederzeit, überall und auf jedem Gerät. Daher freue ich mich sehr, dass ProSiebenSat.1 und Discovery die führende Streaming-Plattform für Deutschland aufbauen werden – mit dem Ziel, in den ersten zwei Jahren zehn Millionen Nutzer zu gewinnen. Wir werden die entsprechenden Ressourcen und Mittel dafür einsetzen.“ Das neue Joint-Venture-Team arbeitet unter der Leitung von Alexandar Vassilev, der zuvor führende Positionen bei Google und YouTube innehatte und derzeit schon 7TV verantwortet. Max Conze, CEO von ProSiebenSat.1, wird Vorsitzender des Gesellschafterbeirats des Joint Ventures. Discovery wird mit Jean Briac Perrette, President und CEO Discovery Networks International, im Aufsichtsrat vertreten sein.

David Zaslav© Discovery
Auch wenn die Transaktion noch die Zustimmung der zuständigen Kartellbehörden benötigt, ist David Zaslav (Foto), CEO von Discovery, zuversichtlich und sieht in der neuen Plattformn einen „spannenden nächsten Schritt“ um mehr Zuschauer auf mehr Bildschirmen zu erreichen: „Gleichzeitig arbeiten wir an einem völlig neuen Modell, über das Zuschauer künftig ihre Lieblingsinhalte abrufen können." Das VoD-Rennen ist eröffnet. Nach Jahren in denen sich die beiden großen kommerziellen Sendergruppen weitgehend auf eine Fragmentierung im linearen Fernsehen konzentriert haben, während SVoD-Plattformen den Markt aufmischten, erwacht der deutsche Markt aus seinem VoD-Schlaf.

Neuer Gründergeist mit vielen offenen Fragen

Wenn im kommenden Jahr der Wettbewerb um VoD- bzw. SVoD-Nutzer härter und großen Marketingbudgets ausgetragen wird, bleibt die spannende Frage erhalten: Gelingt es den beiden großen deutschen Sendergruppen damit auch ihre linear über Jahrzehnte teuer positionierten und als so wertvoll erachteten Sendermarken zu übertragen? Um alle die neu geschaffenen Sendermarken irgendwie ins Netz zu transportieren, scheint die Schaffung neuer Dachmarken in Köln und Unterföhring auswegslos. In den USA experimentiert CBS seit anderthalb Jahren gerade mit einer anderen Strategie: Dort hat man mit „CBS All Access“ einen SVoD-Dienst für eine einzelne Sendermarke etabliert.

Immerhin: Es tut sich was. Nach jetzigem Stand könnte man für das Jahr 2019 das Duell zweier großer neuer Plattformen erwarten. Bis dahin wird es aber noch ein interessanter Poker: Kämpft man zwar mit dem gemeinsamen Ziel, internationalen Anbieter die Stirn zu bieten, aber dennoch getrennt gegeneinander um die Gunst der deutschen Zuschauer bzw. Kunden? Oder gibt es doch ein Miteinander auf dem deutschen Markt - gegen die international agierende Konkurrenz? Sowohl in Köln wie auch München streckt man die Hand aus und will die Konkurrenz einladen, mitzumachen. Wird jemand über seinen Schatten springen?

Viel wichtiger aber ist die Frage: Wird das Kartellamt, dessen Wege und Argumentationen im Medienpolitischen schon oft unergründlich waren, einer Allianz der großen deutschen Privatsender überhaupt zustimmen? Dort wurden schon zwei Versuche, VoD-Allianzen zu schmieden, zerschmettert: Das öffentlich-rechtliche Projekt „Germany’s Gold“ und die Privatsender-Allianz mit dem damaligen Arbeitstitel „Amazonas“. ProSiebenSat.1-Vorstandschef Conze reicht jedenfalls schon mal die Hand: „Ich lade hiermit RTL, ARD und ZDF ein, mit uns gemeinsam einen deutschen Champion zu schaffen. Dies ist nur der Beginn unseres Weges. Jetzt gilt es, die Ärmel hochzukrempeln.“

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