Schon am Freitagnachmittag, kurz nachdem die ARD bekanntgegeben hatte, die "Lindenstraße" 2020 auslaufen zu lassen, war der Unmut der Macher sehr spürbar. Man sei "bestürzt" über die Entscheidung der ARD-Fernsehprogrammkonferenz, die Serie stehe immerhin für politisches und soziales Engagement, Meinungsfreiheit, Demokratie, gleiche Rechte für alle und Integration. "Wir können nur unser Unverständnis zum Ausdruck bringen, dass die ARD es offenbar nicht mehr als ihren Auftrag sieht, die Serie fortzusetzen, zu deren Kern es gehört, diese Haltung zu vertreten", so die Geißendörfers damals in einem gemeinsamen Statement. Nun haben die Macher der Serie der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview gegeben und die ARD dabei weiter scharf angegriffen.

Hans W. Geißendörfer vermutet gar ein Komplott innerhalb des Senderverbunds. Er wisse nicht, wieso sich die ARD für ein Ende entschieden habe, so der Erfinder der "Lindenstraße". "Geldmangel ist lächerlich. Die haben genug Geld in der ARD." Er sei zu lange dabei um zu glauben, dass es am Geld liege. "Da steckt irgendetwas anderes dahinter, was ich nicht weiß. Ich vermute, dass der BR die treibende Kraft war, der WDR hat uns immer unterstützt." Der WDR hatte in seiner Pressemitteilung recht offen dargelegt, dass die Entscheidung auf das gesunkene Interesse der Zuschauer und hohe Produktionskosten sowie Sparzwänge innerhalb der ARD zurückzuführen ist.

Hana Geißendörfer sagt, die Entscheidung der ARD komme zu einer Zeit, in der die Zuschauerzahlen wieder anziehen. Das ist richtig: Nach einem jahrelangen Abwärtstrend liegt die "Lindenstraße" derzeit leicht über den Werten des Vorjahres, wirklich signifikant ist der Aufwärtstrend allerdings nicht. Der stetige Abwärtsstrudel wurde aber beendet. Gleichzeitig sagt sie: "Die ARD hätte über die Jahre durchaus mehr tun können, um unsere Quote zu fördern." Man aber sehr wenig Unterstützung innerhalb der ARD erhalten, ergänzt ihr Vater im "SZ"-Interview. "Im Vergleich zu anderen Sendungen kann man sagen: null. Ich habe mich mehrfach zu den Direktoren begeben und auf Knien klargemacht: Wir brauchen das." An dem sinkenden Interesse der Zuschauer ist demnach auch die ARD selbst schuld.

Tatsächlich hat die ARD die Serie zuletzt nicht sehr nett behandelt, aktuelle Folgen sind immer mal wieder ausgefallen oder zu One abgeschoben worden. Der Sinkflug der Quoten begann allerdings schon Jahre zuvor. Hana Geißendörfer äußert im Interview dann auch Selbstkritik. "Wir haben immer versucht, die 'Lindenstraße' an die Zeit anzupassen, aber vielleicht ist uns das wirklich nicht gelungen, sonst säßen wir heute vielleicht nicht hier." Die Tochter der Serien-Erfinders ist seit 2015 in der kreativen Verantwortung für die "Lindenstraße".

Hans W. Geißendörfer lässt sich in dem "SZ"-Interview darüber hinaus zu einer bemerkenswerten Aussage hinreißen. So schildert er, dass er am Mittwochabend, also zwei Tage vor der Bekanntgabe durch die ARD, von WDR-Fernsehchef Jörg Schönenborn angerufen und über die Entscheidung informiert wurde. "Ich habe gesagt: Nach 33 Jahren hätten wir doch eine schriftliche Absage verdient, mit einer Unterschrift und handschriftlich von Herrn Schönenborn. Ein Telefonat finde ich ohne jeden Anstand." Das könne man nicht machen, so Geißendörfer. Das ist wohl eine sehr eigenwillige Interpretation der Sache. Jeder andere wäre vermutlich froh, wenn er oder sie angerufen und persönlich durch die Verantwortlichen des Senders informiert worden wäre - und eben nicht mit einem schlichten Brief abgespeist würde.

Hana Geißendörfer versucht die Stelle im Interview noch zu entschärfen und entgegnet, dass das ja so abgesprochen gewesen sei. Ein Brief dauere zu lang. Der "Lindenstraße"-Erfinder lässt sich aber nicht von seinem Standpunkt abbringen. "Er [Jörg Schönenborn, Anm.] soll sich gefälligst dahinhocken und mir schreiben, warum die ‘Lindenstraße’ nicht weitergeht. Hat er dann auch getan, aber da stand dann genau das drin, was in der Pressemeldung steht", poltert er.

Gleichzeitig räumen die "Lindenstraße"-Macher gegenüber der "SZ" ein, dass man mit der ARD durchaus über weitere Folgen verhandelt habe. Man sei am Ende bereit gewesen, zum selben Preis wie aktuell zu produzieren. Bei der ARD habe man aber darauf bestanden, dass die Serie "mehrere Millionen Euro im Jahr" billiger werden müsse, das sei eine "utopische Vorstellung" gewesen. Auf die Frage, was die Zuschauer 2020 sonntags um 18:50 Uhr machen, hat der Erfinder der "Lindenstraße" daher auch nur eine Antwort: "Abschalten."

Mehr zum Thema