Schon bevor es erste unabhängige Kritiken an der 40 Millionen Euro teuren Mammut-Serienproduktion "Der Schwarm" gab, hat sich ein ganz besonderer Kritiker zu Wort gemeldet: Frank Schätzing, Autor der Romanvorlage und anfänglich auch noch an der Serienumsetzung beteiligt, zeigte sich in einem Interview mit der "Zeit" wenig angetan vom Resultat, das ab der kommenden Woche in der ZDF-Mediathek veröffentlicht wird.

Schätzing war den Machern um Showrunner Frank Doelger vor, unter ihren Möglichkeiten geblieben zu sein. "Manches ist kinoreif, anderes rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV. Es pilchert mehr, als es schwärmt", so Schätzing. Vor allem bemängelt er, dass man die schon 20 Jahre alte Geschichte nicht an die aktuelle Zeit angepasst habe und sich zum Einen nicht weit genug vom Buch entferne, gleichzeitg aber nicht genug auf das Narrativ des Buches vertraue. Auch einzelne Figurenzeichnungen, oder das Nicht-Aufgreifen der Fridays-for-Future-Bewegung oder des Konfliktes zwischen den USA und China, kritisiert Schätzing. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auf Anfrage von DWDL.de hat sich nun Showrunner Frank Doelger zu Wort gemeldet und räumt zunächst generell ein, dass Verfilmungen von Bestsellern "immer eine enorm heikle Angelegenheit" seien. Das zugrunde liegende Werk könne dabei immer nur als Ausgangspunkt dienen, jede Adaption müsse aber auf eigene Art und Weise erfolgreich sein - zumindest in dieser Hinsicht liegen Schätzing und Doelger in ihren Aussagen nah beieinander. Nur wie nun die richtige Adaption ausgesehen hätte, da gibt es unterschiedliche Ansichten.

Unterdessen betont Doelger mit Blick auf Schätzings Aussagen im "Zeit"-Interview zu seinem Ausstieg beim Projekt und der mangelhaften Zusammenarbeit noch, dass weder Frank Schätzing noch er mit dem Schreiben des Drehbuchs beauftragt worden seien, Doelger sollte aber einen achtteiligen Entwurf zur Serie verfassen, den Schätzing dann abgezeichnet habe. Das Credit als Executive Producer, das Schätzing später abgelehnt hatte, sei ihm als "Anerkennung für die Unterstüztung, die er dem kreativen Team und dem Projekt von Anfang an zuteil werden ließ" angeboten worden.

Im Folgenden dokumentieren wir das komplette Statement Frank Doelgers in einer deutschen Übersetzung:

"Als ich "Der Schwarm" 2018 vom ZDF zum ersten Mal in die Hand bekam, hat mich die Weitsichtigkeit, die Fähigkeit, das, was heute passiert, vorherzusagen und zu erahnen, sofort interessiert. Allerdings empfand ich es auch als eine unglaublich anspruchsvolle Adaption, mit 900 Seiten teilweise sehr technischer und wissenschaftlicher Erklärungen, die sich alles andere als für eine audiovisuelle Wiedergabe eignen. Ich wusste aber, dass die Verfilmung eines Bestsellers immer eine enorm heikle Angelegenheit ist, und man hofft immer, dass der Autor mit der darauf basierenden Fernsehserie oder dem Film zufrieden ist.

Im Laufe meiner Karriere habe ich die Verfilmung der Werke einiger der bedeutendsten englischsprachigen Autoren übernommen - David McCullough, Robert Caro, William Trevor, Ernest Gaines -, die alle renommierten Literaturpreise in den USA, in Großbritannien und international gewonnen haben. Als wir uns das erste Mal trafen, sagte ich zu ihnen allen, dass ich keine Fernsehsendung nur für die Leute mache, die ihre Bücher gelesen haben, sondern eine Fernsehsendung für ein breiteres und teilweise anderes Publikum, das manchmal den Roman nicht gelesen hat. Damit wollte ich einfach sagen, dass ich zwar glaube, dass das zugrunde liegende Werk mit größtem Respekt behandelt werden muss, dass es aber nur der Ausgangspunkt ist.

Jede erfolgreiche Adaption muss auf ihre eigene Art und Weise erfolgreich sein. Deshalb schlug ich vor, aus „Der Schwarm“ eine charakter-orientierte Serie zu machen: die Wissenschaft zu vereinfachen, aber darauf zu achten, dass der Kern intakt bleibt und in die Geschichte passt. Frank Schätzing und ich verbrachten viel Zeit damit, eine solche Adaption zu diskutieren, und einigten uns schließlich auf einen achtteiligen Entwurf für die Serie. Während dieser ganzen Zeit war ich offen für seine Vorschläge, und er war offen für meine. Als sich die Serie zu verselbstständigen begann, gingen unsere und seine Vorstellungen davon, was die Serie sein könnte, auseinander.

Mit unserer Serie wollen wir ein sehr komplexes Thema - Wissenschaft und Klimawandel - auf äußerst unterhaltsame und spannende Weise erzählen. Um dieses breite und allumfassende Thema zeitlos zu behandeln, haben wir darauf verzichtet, explizit auf bestimmte aktuelle politische Phänomene einzugehen, wie z.B. die Fridays-for-Future Bewegung. Wir haben die Perspektive junger Menschen mit ihren Prinzipien, Idealen, Emotionen und Ansichten durch die Handlungen unserer jüngeren fiktiven Charaktere (Wagner, Amir, Jess etc.) angesprochen, ohne dabei zu pädagogisch oder belehrend zu sein. Auch die Generationskonflikte - alte Welt der Wissenschaft versus neue Welt (Lehman/Johanson versus Wagner/Amir) - werden intensiv diskutiert und fügen sich organisch in die Geschichte ein.

In unserem ausgeprägten Bemühen, einem modernen, klima-bewussten Publikum gerecht zu werden, für das weder Herkunft, Rasse, Geschlecht, sexuelle Orientierung usw. von Bedeutung sind, haben wir uns dafür entschieden, den Figuren ein gewisses emotionales Gewicht zu verleihen, z. B. Johanson, dessen Beziehung zu Lunt wir modernisiert haben - die Darstellung der Liaison zwischen einem älteren weißen Mann und einer zwanzig Jahre jüngeren Frau ist nicht zeitgemäß. Darüber hinaus erfordert die ästhetische Umsetzung von „Der Schwarm“ in einer zeitlosen und bedeutungsvollen Weise auch ein feines Gleichgewicht zwischen Bildschirm und greifbarer menschlicher Interaktion. Die Verwendung neuer hyperkonnektiver Social-Media-Apps (TikTok, BeReal usw.) als erzählerisches Herzstück der Serie hätte den Ton und den Schwerpunkt der Serie verändert.

Insgesamt liegt die Stärke des Romans wie auch seiner Adaption darin, dass er sich nicht auf die traditionellen Erzählmuster von "guten" und "bösen" Staaten (traditionell der Westen gegen den Osten usw.) einlässt, da diese zu eng sind und nicht zu einem globalen Thema wie dem Klimawandel passen. Die Universalität dieses Themas spiegelt sich in der sehr internationalen und multikulturellen Vision wider, die in der Besetzung, den Schauplätzen, den Sprachen usw. der Serie zum Ausdruck kommt. Die Weltgemeinschaft wird gemeinsam herausgefordert (einschließlich Chinas durch die Figur des WEEI Fu), wobei die Wissenschaftler die unbekannte Bedrohung auf der ICPO-Konferenz offenlegen und ein sofortiges gemeinsames Vorgehen fordern."

Mehr zum Thema