Wenn die Produzentenallianz am Abend im Berliner Tipi am Kanzleramt zu ihrem jährlichen Produzentenfest lädt, dann wird sich auch der Nachbar blicken lassen. Bundeskanzler Olaf Scholz ist als Ehrengast angekündigt, was Geschäftsführer Björn Böhning als "Rückendeckung" betrachtet. "Wir fühlen uns gestärkt, weil uns die Politik mit ihrer Präsenz Rückhalt signalisiert", sagte er bei einem Pressegespräch im Vorfeld des Fests, das sich an die Jahresmitgliederversammlung anschließt, bei der Böhning zusätzlich zum Sprecher des Vorstands gewählt werden soll - als Nachfolger von Alexander Thies, der seit der Gründung der Produzentenallianz vor 15 Jahren an der Spitze des Lobbyverbands stand.

Die Mitgliederversammlung und das Produzentenfest finden zu einer Zeit statt, in der die Branche mit wachsenden Herausforderungen zu kämpfen hat. Die jüngste Hiobsbotschaft ist erst wenige Tage alt und kam aus Unterföhring. "Mit großem Frust und großer Besorgnis" habe man die Ankündigung von Sky wahrgenommen, künftig auf deutsche Fiction verzichten zu wollen und selbst längst angekündigte Produktionen abzusagen. "Das ist ein Schlag für die Kreativen und die Produzentinnen und Produzenten in Deutschland", beteuerte Produzentenallianz-Geschäftsführer Böhning bei dem Pressegespräch abermals und übte scharfe Kritik am Vorgehen des Pay-TV-Anbieters: "Sky hinterlässt eine Spur der Verwüstung." 

So sei eine Situation entstanden, "in der einige tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sowohl im kreativen wie im produzentischen Bereich – nicht wissen, was in den nächsten zwei, drei Monaten passieren wird", erklärte Böhning weiter. Man müsse davon ausgehen, dass die Produktionen nicht so schnell woanders unterkommen können. Dazu komme, dass Sky mögliche Übernahmen offenbar erschwere. "Das ist eine Praxis, die die Produktionsunternehmen vor große Probleme stellt." Viele Produzenten seien daher auf dem Weg, sich mit Zuhilfenahme rechtlicher Möglichkeiten dagegen zu wehren. Unterstützung können sie dabei wohl von der Produzentenallianz erhoffen. "Wir werden bei Sky vorstellig werden und deutlich machen, dass die Produktionsunternehmen nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben dürfen", kündigte Böhning an. "Wir prüfen daher rechtliche Möglichkeiten, um die Produzentinnen und Produzenten zu unterstützen."

"Branche ist in einem erheblichen Umbruch"

Allzu optimistisch klingt der Chef der Produzentenallianz an diesem Montag im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten nicht. Die Entwicklung bei Sky wertet er als Zeichen dafür, dass sich die Branche in einem "erheblichen Umbruch" befindet, sagte er. "Sky ist sicher eher die Spitze des Eisbergs." Neben dem Fiction-Aus bei Sky bekommt es die Branche aktuell mit Sparmaßnahmen bei ProSiebenSat.1 zu tun, aber auch einige Streamingdienste sind inzwischen zunehmend zurückhaltend geworden, was die Beauftragung deutscher Produktionen angeht.  

Und dann ist da auch noch die Debatte um die künftige Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch wenn noch längst nicht klar ist, wie viel Geld ARD und ZDF in der nächsten Beitragsperiode zur Verfügung stehen wird, so mahnt Björn Böhning schon mal vor den Auswirkungen auf die Produktionslandschaft. "Allen muss klar sein, dass Stabilität oder Reduktionen des Rundfunkbeitrags im Hinblick auf die Teuerungsrate meist dazu führen, dass die Programmbudgets reduziert werden und weitere Beauftragungen nicht stattfinden. Wir haben deshalb die große Sorge, dass die bisherige gute Marktdynamik stark abbremst."

Vor diesem Hintergrund fordert der Verband die öffentlich-rechtlichen Sender dazu auf, "jetzt endlich mit den Produzentinnen und Produzenten über eine Rechteteilung und einen Rechterückfall zu sprechen", sagte Böhning. "So können Produzenten in Zeiten sinkender Budgets ihren Beitrag zu mehr Investitionen leisten. Sie müssen die Möglichkeiten bekommen, national oder international eine Refinanzierung der Produktionen zu realisieren. Kurzum: Eine Rechteteilung schafft Investitionen am Markt in Deutschland."

Und auch die Politik sieht der Geschäftsführer der Produzentenallianz in der Pflicht. "In der Politik wird leider zu selten gesehen, dass die Sender nicht nur für sich selbst zum Beispiel Nachrichten produzieren, sondern der größte Auftraggeber von Produktionen sind." Vielleicht bekommt Björn Böhning am Abend die Gelegenheit, den Kanzler höchstpersönlich von seinem Standpunkt zu überzeugen.

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