Mitte September wurde bekannt, dass Jan Böhmermann über die Produktionsfirma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld UE GmbH juristisch sowohl gegen das News-Portal "Nius" als auch gegen Julian Reichelt vorgeht. Hintergrund sind zwei "Nius"-Artikel und eine Folge von "Achtung, Reichelt", in denen zahlreiche Verdächtigungen gegen das ZDF, Böhmermann und das Bundesinnenministerium geäußert wurden. Dagegen hat Böhmermann bzw. die Produktionsfirma am 4. Oktober eine umfassende einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hamburg erwirkt, die DWDL.de vorliegt. 

Hintergrund ist die Sendung zum damaligen BSI-Chef Arne Schönbohm, die im Oktober 2022 ausgestrahlt wurde und bis heute für Schlagzeilen sorgt. Schönbohm selbst fordert 100.000 Euro Entschädigung vom ZDF, Böhmermann verteidigte die Sendung erst kürzlich und wies in einem Interview mit dem Branchenmagazin "Journalist" noch einmal darauf hin, dass die Folge auch nach einem Jahr unbeanstandet und wahrheitsgemäß in der Mediathek des ZDF zu finden sei. Jetzt werde sie "politisch motiviert zum Komplott verschwurbelt", so der Satiriker (DWDL.de berichtete). 

Vor dem Landgericht Hamburg hat Böhmermann nun einen womöglich entscheidenden Sieg errungen. So dürfen weder "Nius" noch Reichelt künftig den Verdacht erwecken, zwischen Böhmermann und dem Innenministerium sei es zum Austausch brisanter Informationen gekommen, die zur Abberufung Schönbohms geführt hätten. Untersagt ist außerdem das Erwecken des Verdachts, Staatssekretäre aus dem Bundesministerium hätten an der Sendung mitgewirkt oder die Produktion der Folge sei von Innenministerin Nancy Faeser höchstselbst veranlasst worden. 

Darüber hinaus schürten sowohl "Nius" als auch Julian Reichelt in seiner Sendung den Verdacht, eine bestimmte Frau mit Verbindungen zum Innenministerium sei Teil des Redaktionsteams des "ZDF Magazin Royale". Auch das darf künftig nicht mehr behauptet werden, weil es schlicht nicht wahr ist. "Diese Behauptung ist unstreitig unwahr", heißt es vom Gericht. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 120.000 Euro. Beide Parteien können gegen die Entscheidung noch Widerspruch einlegen. Ob "Nius" bzw. Julian Reichelt das machen werden, ist unklar. Der Rechtsanwalt von "Nius" und Reichelt erklärt am Donnerstag gegenüber DWDL.de, dass der Beschluss des Landgerichts bislang noch nicht zugestellt worden sei. Daher wolle man derzeit noch keine Stellungnahme abgeben. 

Rechtswidriger Verdacht und unwahre Tatsachenbehauptung

In der Begründung der Entscheidung wird das Landgericht Hamburg recht deutlich. Die in unterschiedlicher Ausprägung in den Berichterstattungen enthaltene Aussage, das Bundesinnenministerium habe auf den Inhalt der entsprechenden "ZDF Magazin Royale"-Folge Einfluss genommen, sei ein "rechtswidrig erweckter" Verdacht. Dass Julian Reichelt überdies behauptete, bei den Vorwürfen über Arne Schönbohm im Zusammenhang mit russischen Geheimdienstkreisen sei "kein einziges Wort" wahr, wertete das Gericht als "unwahre Tatsachenbehauptung". 

Und das Landgericht Hamburg zeigt auch auf, wie Julian Reichelt und "Nius" journalistisch arbeiten. Es sei nämlich unstreitig, dass beide Parteien der Antragsstellerin, also der Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld UE GmbH, vor der Veröffentlichung keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben haben. Das ist allerdings Pflicht bei einer Verdachtsberichterstattung. "In der Folge sind die angegriffenen Verdachtsberichterstattungen auch als unausgewogen anzusehen und damit unzulässig."

Beide beanstandeten "Nius"-Artikel sowie die Ausgabe von "Achtung, Reichelt!" sind nach wie vor online abrufbar. Noch finden sich darin auch die vom Landgericht Hamburg nun untersagten Verdächtigungen, eine Aktualisierung hat noch nicht stattgefunden.

Update (16:26 Uhr): Wir haben den Text um die Aussagen des Rechtsanwalts von "Nius" und Julian Reichelt ergänzt.  

Update (16:39 Uhr): Der Anwalt von "Nius" und Julian Reichelt teilt gegenüber DWDL.de mit, dass man den Beschluss mittlerweile habe lesen können, er sei aber nach wie vor nicht in der notwendigen Form zugestellt worden und damit auch noch nicht wirksam. "Daher wurde über mögliche Rechtsmittel noch keine Entscheidung getroffen." Im Ergebnis sieht er aber, dass allenfalls "geringfügige Änderungen bzw. Ergänzungen" in den Texten bzw. dem Video nötig seien.