Frau Kudiabor, Herr von der Groeben, Ihre neue Serie "Arthurs Gesetz" läuft ab 31. August auf EntertainTV und ab Dezember dann bei TNT Comedy. Steht das repräsentativ für das, was Sie produzieren wollen – schräge Nischeninhalte für zahlungskräftige Zuschauer?

Moritz von der Groeben: Auf die Nische wollen wir uns nicht festlegen lassen. Es geht uns in erster Linie darum, neue Wege auszuprobieren und spannende Inhalte zu entwickeln, die man im deutschen Fernsehen bisher nicht an jeder Ecke finden konnte. Das konkrete Modell für "Arthurs Gesetz" mit der Telekom als Launch-Partner war im Wesentlichen die Idee von Turner. Aber wir finden auch, dass diese Art von neuen Verbindungen und Finanzierungen erstens Spaß macht und zweitens immer wichtiger wird. Wir befinden uns da genau wie alle anderen Marktteilnehmer in einer Findungsphase: Wie können SVoD und Pay-TV oder SVoD und Free-TV oder Pay- und Free-TV zusammen funktionieren? Momentan wird vieles ausprobiert, was es vorher noch nicht gab.

In Ihrer Selbstdarstellung schreiben Sie: "Neues Fernsehen für neue Märkte". Was heißt das konkret?

Nataly Kudiabor: Als wir unsere Firma Anfang 2015 gegründet haben, ging es gerade los mit den neuen Anbietern. Wir hatten die Chance, speziell im Hinblick auf Pay-TV oder SVoD zu entwickeln. Es gab keinen Bauchladen von Projekten, die wir immer schon mal machen wollten. Wir haben uns Zeit genommen und gezielt überlegt, wie eine Serie fürs Pay-TV aussehen könnte. Dann sind wir zusammen mit Benjamin Gutsche als Autor bei dieser schwarzen Komödie gelandet. Weil wir ein starkes Buch hatten, konnten wir das Interesse von TNT wecken. Ich glaube, man muss an jeden Anbieter mit möglichst maßgeschneiderten Ideen herantreten.

Apropos Bauchladen: Kommt eine junge, frische Firma in diesem Segment leichter zum Zug als ein Traditionshaus, das schon zig 90-Minüter und Vorabendserien produziert hat?

von der Groeben: Es ist sicher hilfreich, dass wir zwei Dinge zusammenbringen: einerseits reichlich Produktionserfahrung aus dem klassischen Fernsehen, andererseits eine große Offenheit für neue Themen und neue Wege. Das zieht dann auch eine andere Art von Talent an und gibt uns gegenüber den Plattformen eher einen Boutique-Charakter. Die großen Gemischtwarenläden kommen dort nicht so gut an.

Wie finden und binden Sie die richtigen Kreativtalente?

Kudiabor: Nach drei Jahren hat sich vielleicht ein bisschen herumgesprochen, dass wir ein guter Partner für Kreative sind, dem man sein Baby anvertrauen kann. Wir sind diesbezüglich aber weiter recht aktiv. Zum Beispiel gehen wir oft an Hochschulen, um junge Talente möglichst früh zu entdecken. Wenn ich eine Serie sehe, die mir gut gefällt, dann stalke ich die Kreativen und will sie unbedingt treffen. Wer mich kennt, weiß, dass ich da penetrant sein kann. (lacht) Ich war kürzlich auf einem Serienfestival in Santiago de Compostela und habe dort einen tollen Pitch von einem spanischen Autor gehört. Dieses Projekt werde ich jetzt mit ihm zunächst für den deutschen Markt entwickeln. Erfreulicherweise ist da eine völlig neue Offenheit entstanden, über Ländergrenzen hinaus.

von der Groeben: Wir wollen definitiv zweigleisig entwickeln. Auf der einen Seite gibt es ein großes Bedürfnis nach typisch deutschen Geschichten. Mit "Arthurs Gesetz" erzählen wir einen Stoff, der zwar vom Genre her für den deutschen TV-Markt neu ist, aber inhaltlich sehr deutsch und auch gar nicht versucht, international daherzukommen. Auf der anderen Seite schauen wir gezielt danach, welche interessanten internationalen Konstellationen sich ergeben können. Ein Beispiel ist die Thriller-Serie "Undercover", die wir mit der belgischen Produktionsfirma deMensen koproduziert haben und die 2019 bei ZDFneo sowie außerhalb Deutschlands, Belgiens und Frankreichs direkt bei Netflix laufen wird.

Bedeutet Ihr Verständnis von "neuem Fernsehen" auch, dass Sie einen anderen Umgang mit Kreativen pflegen und Grabenkämpfe zwischen Autoren und Regisseuren verhindern?

Kudiabor: Man kann ja letztlich nur das beurteilen, was man selbst macht. Jedenfalls ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, wenn wir sagen: Wir versuchen immer auf Augenhöhe mit den Kreativen zu arbeiten. Wir verstehen uns bei jedem Projekt gemeinsam mit den jeweiligen Autoren, Regisseuren und sonstigen Kreativen als ein zusammengehörendes kreatives Team. Damit das funktioniert, spielen Vertrauen und Respekt eine entscheidende Rolle. Als kleine Firma haben wir den Vorteil, dass man sich nicht mit vielen Entscheidungsträgern auseinandersetzen muss.

"Es könnte sein, dass mehr Autoren Showrunner werden. Aber nicht jeder will das und nicht jeder kann das"

Moritz von der Groeben, good friends Filmproduktion


Klingt sehr harmonisch. Folgt man dagegen der Autoren-Initiative "Kontrakt '18" und der daraus resultierenden Branchendebatte, scheint es doch noch ein paar ungeklärte Machtfragen zwischen Autoren, Regisseuren, Produzenten und Redakteuren zu geben.

Arthurs Gesetz© Turner / Goodfriends/ Hendrik Heiden
Kudiabor: Natürlich verfolge ich diese Debatte mit Interesse, und es ist gut, dass das Thema auf den Tisch kommt. Es soll bitte nicht arrogant klingen, aber in unseren bisherigen Projekten sind die meisten der diskutierten Probleme gar nicht aufgetaucht. Bleiben wir beim Beispiel "Arthurs Gesetz": Mit Benjamin Gutsche haben wir einen jungen Autor, der zuvor schon ein paar Drehbücher geschrieben und die meisten davon selbst als Regisseur verfilmt hat. Jetzt hat er gemeinsam mit zwei Staff Writern seine erste eigene Serie geschrieben. Als Regisseur haben wir den ebenso serien- wie kinoerfahrenen Christian Zübert gewonnen, der ja auch etliche Filme geschrieben hat. Die beiden sind sich auf Augenhöhe begegnet, hatten tiefes Verständnis für die Leistungen des jeweils anderen, woraus dann respektvolles Teamwork im Sinne des Projekts resultierte. Selbstverständlich haben Anke Greifeneder bei Turner und wir als Produzenten das konsequent unterstützt.

von der Groeben: Was Nataly beschreibt, ist eine wunderbar funktionierende Konstellation, die für "Arthurs Gesetz" genau die richtige war. Beim nächsten Projekt muss sich eine ganz neue Konstellation finden, beim übernächsten wieder eine andere. Das ist ein dynamischer Prozess und lässt sich kaum mit allgemein gültigen Regeln festschreiben. Es könnte durchaus sein, dass künftig mehr Autoren als bisher Executive Producer oder Showrunner werden und damit einen größeren Teil der Projektsteuerung übernehmen. Aber nicht jeder will das und nicht jeder kann das.

Jan Mojtos Beta Film ist Ihr Hauptgesellschafter. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit und die Auswahl Ihrer Projekte aus?

von der Groeben: Die Beteiligungen der Beta Film werden nicht vorrangig nach Konzerngesichtspunkten geführt, es gibt keine zentral ausgegebene Strategie für die Töchter. Ganz im Gegenteil: Jan Mojto schätzt eigenständige Produzenten und gibt uns maximale kreative Freiheit. Wir profitieren natürlich von der enormen Vertriebsexpertise und internationalen Marktkenntnis der Beta Film. Wenn wir für ein neues Projekt eine Einschätzung des internationalen Potenzials brauchen, bekommen wir das schnell und fachkundig.

Frau Kudiabor, Herr von der Groeben, herzlichen Dank für das Gespräch.

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