Es gibt vermutlich nur wenige Fernsehproduktionen, über die sich sagen lässt, dass man sie gesehen haben muss. "Charité intensiv" gehört ganz sicher dazu – erst recht vor dem Hintergrund der vierten Corona-Welle, mit der wir es derzeit in Deutschland zu tun haben. Mehr als 100.000 Menschen sind alleine hierzulande an den Folgen der Pandemie verstorben, viele weitere ringen in diesen Tagen auf den Intensivstationen des Landes mit dem Tod.

Dazwischen: Zahlreiche Pflegekräfte, die an ihre körperlichen Grenzen gehen, und nicht selten darüber hinaus. Umso wichtiger ist es, dass ihre Arbeit gewürdigt wird. So wie das in besagter Dokumentationsreihe der Fall gewesen ist. Einen Winter lang beobachtet die mehrteilige ARD-Reihe von Carl Gierstorfer und seiner Co-Autorin Mareike Müller die Station 43, eine von mehreren Intensivstationen der Berliner Charité, und es ist davon auszugehen, dass sich die Bilder gleichen würden, würden die beiden heute, ein Jahr danach, eine Fortsetzung drehen.

Die Stärke von "Charité intensiv" liegt darin, dass hier nichts beschönigt wird, macht die Reihe doch unweigerlich klar, dass selbst mit bester High-Tech-Medizin nicht alle, die mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation liegen, den Überlebenskampf gewinnen. Sehr eindringlich wird von der Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger erzählt, von berührenden Schicksalen und von der Wucht, mit der Corona das Gesundheitssystem an den Rand des Kollapses bringt.  

"Diese sehr sehenswerte Serie zeigt realistisch, was derzeit auf der Covid-Intensivstation los ist. Jeder, der ernsthaft die Gefahr von Covid verstehen will, sollte sich das ansehen", schrieb der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kurz nach Veröffentlichung der Dokumentation, die in der Folge auch zahlreiche Kritikerinnen und Kritiker überzeugte. So erhielt "Charité intensiv" in diesem Jahr gleich mehrere Auszeichnungen, darunter den Deutschen Fernsehpreis und den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.

Für Autor Carl Gierstorfer ist es indes nicht der erste Film, der sich mit einem großen medizinischen Thema auseinandersetzt. Schon vor zehn Jahren begann er damit, ein Team von Wissenschaftlern auf der Suche nach dem HIV-Ursprung zu begleiten, einige Jahre später dokumentierte er in Liberia die Ebola-Epidemie und machte später den mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Dokumentarfilm "Ebola - Das Virus überleben".

Nun also Corona, eindringlich erzählt wie selten zuvor. In der ARD-Mediathek stieß "Charité intensiv" übrigens ebenfalls auf ein großes Interesse, erreichte hunderttausende Aufrufe und viele Zuschauerinnen und Zuschauer im RBB Fernsehen. Doch eigentlich hätten es noch viel mehr sein können, ja, sein müssen. Ein Sendeplatz im Ersten um 20:15 Uhr – das wäre exakt das Schaufenster gewesen, das nicht nur "Charité intensiv" von Carl Gierstorfer und Mareike Müller verdient gehabt hätte, sondern auch das Pflegepersonal, um das es in der Doku-Reihe geht.