Wie klug und schlagfertig sie wirklich ist, konnte Eva Schulz diese Woche im ARD-Vorabendquiz "Wer weiß denn sowas?" unter Beweis stellen. Egal, ob es darum ging, die Bedeutung von "regenerierfertigen" Lebensmitteln oder das meistgenutzte Wort in Oscar-Dankesreden herauszufinden – die 31-jährige funk-Journalistin plauderte sich mit so viel Intuition und Menschenverstand den Lösungen entgegen, dass ihrem Ratepartner Elton oft nur die Nebenrolle blieb.

Wer so vielfältig einsetzbar ist und eine gute Figur im familientauglichen Mainstream macht, wird für gewöhnlich früher oder später aus der Nische ins Hauptprogramm befördert. Ganz davon abgesehen, dass die Öffentlich-Rechtlichen die ideale Illner-Plasberg-Will-Nachfolgerin schon in ihren Reihen haben, hat Schulz die vermeintliche Nische im Jahr der Bundestagswahl stellenweise zum Hauptprogramm gemacht.

Das lag vor allem daran, dass die drei Kanzlerkandidaten mit einem medialen Overkill auf die TV-Bildschirme gespült wurden, der eher Redundanz als Erkenntnis beförderte. Auf nahezu jedem Sender und in jeder erdenklichen Konstellation spulten etablierte – sprich: seit Ewigkeiten vor Kameras stehende – Politikjournalisten die ewig gleichen dreieinhalb Themenfelder ab. Weil gewiefte Parteistrategen immerhin wussten, wo ausnahmsweise die begehrte Zielgruppe der Erstwähler zu erreichen war, schickten sie Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz auch zu "Deutschland 3000". In Eva Schulz' Podcast mussten die Kandidaten sich anderen Regeln unterwerfen – und das tat verdammt gut.

Eva Schulz, Olaf Scholz © funk
Bei ihr kommt eben keiner "'ne gute Stunde" mit vorgefertigten Sprechblasen durch. Besonders die beiden Herren taten sich damit hörbar schwer. Wenn am Ende dennoch ein Erkenntnisgewinn für die Hörerinnen und Hörer steht, so ist das Schulz' spezieller Taktik zu verdanken. Wo man andernorts kaum Grautöne zwischen routiniertem Abfragen und aggressivem Grillen vorfindet, kommt bei ihr die Technik des charmanten Bohrens zum Einsatz. Ausflüchte und Schablonen kontert sie mit dem Hinweis auf mangelnde Alltagstauglichkeit oder existenzielle Bedeutung für die jeweiligen Fragesteller, die ihre Sprachnachrichten eingereicht haben – immerhin jene Zielgruppe, deren Stimmen die Gäste wollen. 

Und wo sie im Gespräch gar nicht weiterkommt, bleiben ja noch ihre formattypischen, nachträglich eingefügten Drop-in-Kommentare. "Dass er dazu nicht mehr sagen wollte, fand ich schon frustrierend", gesteht sie dann beispielsweise. Man stelle sich nur mal vor, wie solch ein innerer Monolog von Beteiligten der Kanzlertrielle ausfiele, wenn er denn ebenso aufrichtig wäre. Während viele Berliner Hauptstadtstudio-Moderatoren immer noch Wert darauf legen, möglichst allwissend gegenüber dem Publikum und auf Augenhöhe mit den Politikern zu erscheinen, ist es bei Eva Schulz genau umgekehrt: Sie ist sich nicht zu fein, Unsicherheit oder Frustration einzugestehen. Sie weiß, wie ihre Zielgruppe tickt, und stellt die Fragen, die ihre Zielgruppe auch stellen würde. Das macht sie mehr und mehr zu einer begehrten Gesprächspartnerin für Spitzenpolitiker – eine ganz neue Art von Augenhöhe.

Zu Schulz' weiteren Verdiensten des Jahres zählt der Versuch, gesellschaftspolitischen Debatten ein neues Gefäß jenseits des klassischen Polittalks zu geben. Das vom SWR für die ARD-Mediathek produzierte Format "Der Raum mit Eva Schulz" poppte im Sommer mit zwei Pilotfolgen zu den Themen Bildungsgerechtigkeit und Fleischkonsum auf. Die Moderatorin lässt hier als Spielleiterin jeweils vier Gäste mit konträren Meinungen in einem Escape Room aufeinander los, aus dem diese sich befreien müssen, indem sie konstruktiv und respektvoll miteinander diskutieren. Das Ergebnis mag noch nicht vollkommen ausgereift gewesen sein, macht aber eindeutig Lust auf mehr liebevoll-unkonventionelle Denkansätze aus dem Kopf von Eva Schulz. Mediathek wie lineares TV können davon nur profitieren.