Am 15. Oktober war es soweit: Christine Strobl präsentierte gemeinsam mit ihren beiden Kollegen, Chrefredakteur Oliver Köhr und der nach der Wahl zum HR-Intendanten nun schon wieder aus dem Programmdirektions-Triumvirat scheidende Florian Hager, ihre ARD-Programmreform. Daran waren zwei Dinge ganz erstaunlich: Dass seit ihrem Amtsantritt Anfang Mai nicht mal ein halbes Jahr vergangen war. Und dass das, was da von den Intendantinnen und Intendanten abgesegnet wurde, ziemlich genau dem entsprach, was Strobl und Co. zu Beginn des Prozesses so vorschwebte.

Beides ist insbesondere in der ARD keine Selbstverständlichkeit – denn die ist bekanntlich kein straff organisiertes Unternehmen, sondern ein Zusammenschluss von neun Landesrundfunkanstalten, jede mit eigenen Interessen ausgestattet. Dadurch ist sie allzu häufig alles andere als "eins", wie sie es mit dem ARD-Claim in einer Art von Autosuggestion vielleicht nicht zuletzt sich selbst weismachen will. Diese föderale Struktur ist in vielen Punkten ein Vorteil, sie sorgt aber nicht selten auch dafür, dass sich die ARD selbst im Weg steht. Und ganz abgesehen davon hat sie ja auch noch zahlreiche Redakteure, Korrespondentinnen, Mitarbeiter und Journalistinnen, von denen es ebenfalls vielen nicht an Selbstbewusstsein mangelt und die auch die Öffentlichkeit zu nutzen wissen, wenn Änderungen am Status Quo vorgenommen werden sollen.

Dass die nötig sind, steht außer Frage: Der Wandel der Mediennutzung weg vom linearen Programm hin zu zeitsouveränder Nutzung, ist nicht zu leugnen und erfasst Stück für Stück auch die älteren Generationen. Für die Öffentlich-Rechtlichen ist das eine Herausforderung, vor allem aber auch eine große Chance – denn mit den Mediatheken scheinen nun tatsächlich viele derer wieder erreichbar zu sein, die die linearen öffentlich-rechtlichen Sender außerhalb der "Tagesschau" schon lange nicht mehr auf dem Schirm hatten. Die ARD hat da auch im Vergleich zum ZDF, das die Möglichkeiten der Mediathek viel früher erkannte, einiges an Aufholbedarf – mit der Herausforderung, das Lineare nicht zu sehr vernachlässigen zu dürfen, schließlich bleibt die TV-Nutzung weiter enorm hoch.

Dass das inzwischen den meisten ARD-Granden klar geworden zu sein scheint, kam Christine Strobl bei ihrem Blitz-Start fraglos zupass. Trotzdem war es keineswegs so, dass sie nur offene Türen einrannte. Besonders die Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten, die die Abschiebung des "Weltspiegels" in den späten Abend fürchteten, und die Redaktionen der Politmagazine, die gegen eine Verringerung der Schlagzahl wetterten, sorgten öffentlich schon in den ersten Wochen nach Strobls Amstantritt für viel Gegenwind. Strobls Vorgänger kann ein Lied davon singen: Der hatte nur zwei Jahre vorher schon einmal den Plan, den "Weltspiegel" sonntags um knapp eine Stunde vorzuziehen und die "Sportschau" dafür an die "Tagesschau" heranzurücken. Von einer "Marginalisierung" des "Weltspiegels" war danach die Rede, einem "schlimmen Signal". Herres knickte nach wenigen Tagen ein.

Unter Christine Strobl kommt es nun zu genau dieser Sendeplatz-Verlegung, zusätzlich zu längeren Reportagen am von den Korrespondentinnen und Korrespondenten offenbar so ungeliebten späteren Abend – und nach der anfänglichen lautstarken Kritik scheint damit kaum noch jemand ein Problem zu haben. Auch die Redaktionen der Politmagazine haben sich offenbar inzwischen damit angefreundet, dass sie – neben ihren Magazinen – künftig auch häufiger längere, vertiefende Reportagen liefern sollen, vor allem auch, weil die in der Mediathek besser funktionieren. In Sachen Überzeugungsarbeit geht der Punkt also an Strobl & Co. Und das ist ja nur ein Teil der Änderungen, Sandra Maischberger etwa talkt künftig zwei Mal wöchentlich und soll sich auf ihre vom einstigen ntv-Talk bekannten Stärken im Einzelgespräch besinnen, freitags will man ein neues Comedy-Format entwickeln mit einem festen Sendeplatz. Wer sich an die hitzigen Diskussionen über Talk-Schwemme oder die Kleinstaaterei am Comedy-Donnerstag erinnert, der kann sich angesichts dieser nun fast schon geräuschlosen Beschlüsse ein wenig die Augen reiben.

Diese Reform des Ersten geht damit einher, dass nun endlich richtig in die ARD-Mediathek investiert wird, die zu einem eigenständigen Programmangebot ausgebaut wird, wobei durch die integrierte Planung linearer und non-linearer Ausspielwege sich beide gegenseitig befruchten sollen. Ob diese nun vorgestellten Pläne so aufgehen werden, muss sich natürlich erst noch zeigen. Doch sich weiter nur in Trippelschritten bewegen, wäre auf Dauer keine gute Option gewesen. „"ch bin ich sehr zufrieden, weil ich die ARD sehr reformfreudig erlebt habe. Wenn auch mit entsprechender Begleitmusik", zog Christine Strobl jüngst im DWDL-Interview Bilanz. Die wird‘s in der föderalen ARD sicher auch weiter geben. Doch dass sie diese vielstimmige ARD-Kappelle zu dirigieren weiß, hat sie nun bewiesen. Bleibt ihr, der ARD und allen Beitragszahlerinnen und -zahlern zu wünschen, dass sie in ihrem Reformeifer nicht nachlässt. Zu tun gibt‘s schließlich noch einiges.