Thilo, wir können miteinander sprechen, ProSieben hat dich groß plakatiert: Ihr habt die Dreharbeiten zu „Uncovered“ also gut überstanden. Gab es Momente in denen du daran gezweifelt hast?

Wir haben uns in gefährliche Situationen begeben, jedoch habe ich mit der gleichen Sorgfalt gearbeitet, wie ich es schon bei all meinen Recherche-Reisen für geschriebene Reportagen gemacht habe und das Risiko immer abgewogen. Es gab z.B. einen Dreh in Afghanistan, den ich abgesagt habe und dann auch ganz froh war, weil eine Woche später eine deutsche NGO-Mitarbeiterin erschossen wurde. Kurze Zeit später gab es ein Bombenattentat mit fast 150 Toten. Ich versuche immer das Risiko zu minimieren, für mich und das Team mit dem ich reise. An Orten wie Somalia, Mexiko oder dem Irak kannst du vorher aber nicht gänzlich ausschließen, dass etwas passiert. Aber was ich immer sage ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir erschossen werden, geringer ist, als du es anfangs annimmst.



Wie beruhigend.

(lacht) Man vergisst immer, dass in diesen Ländern, in denen Kriege und Krisen herrschen, auch gelebt wird. Man muss sich nur an die Regeln halten, an die sich auch die Menschen halten, die dort leben. Ein gutes Beispiel dafür ist der Irak. Dort musst du zum Krieg fahren. Sobald du dann über die Frontlinie gehst, bist du natürlich in Gefahr. Solange du dich aber vor der Frontlinie aufhältst, befindest du dich nur in mittelmäßiger Gefahr. Wenn du in Erbil bist, der Hauptstadt des Nordirak, bist du absolut sicher. Da kannst du auf der Straße stehen und Cola trinken.

Wie groß ist eigentlich das Team, mit dem du unterwegs bist?

Es ist sehr klein und das ist bewusst so gewählt. In Somalia war ich z.B. nur mit einem Kameramann, da du dann nicht so sehr auffällst. Das ist dann auch eine Frage der Sicherheit. Umso größer das Team, umso mehr fällst du auf. In Somalia gilt zum Beispiel: Nicht auffallen und in der Regel nicht länger als 48 Stunden im Land zu bleiben, weil dann die Gefahr zu groß ist, dass die Terrormiliz al-Shabaab weiß, dass du da bist. Dann steigt das Risiko einer Entführung. Ursprünglich hatten wir uns deshalb entschieden, nicht länger als 48 Stunden dort zu bleiben. Aber danach hatte ich noch nicht genug Material und dann habe ich entschieden - und das ist das schöne, wenn du auch Produzent bist - noch einmal 24 Stunden länger zu bleiben. Aber dann mussten wir wirklich abhauen. Da waren wir zu zweit unterwegs. Die größte Konstellation bei anderen Drehs bestand aus vier Leuten: Kamera, Redaktion, zweite Kamera und ich. Wenn wir uns gegenseitig aufeinander verlassen können, macht das Arbeiten in so kleinem Kreis den größten Spaß. Und da ich das u.a. mit meiner Freundin zusammen mache, klappt das super.

Und das Risiko solcher Dreharbeiten bekommt man versichert? Beim Fernsehen will ja alles seine Ordnung haben.

Wir haben tatsächlich eine normale Kriegs- und Krisenversicherung, die du für diese Gebiete bekommst, für 400 Euro am Tag. Diese ganzen Versicherungen kannst du aber vergessen - ich denke mir immer, dass mich am Ende wahrscheinlich eher ein ADAC Hubschrauber rausholt als so eine Versicherung.

Uncovered© ProSieben


Irgendwie pervers. Eine Kriegs- und Krisenversicherung. Als wenn man sich vertraglich aus Krieg und Krise rauskaufen kann.

Und für Länder wie Somalia ist die außerdem unvorstellbar teuer aufgrund der Entführungsgefahr. Du führst dann auch Gespräche mit Versicherungsmenschen, die dir völlig humorlos sagen, dass es besser wäre, wenn ich dort erschossen werde. Denn so ein Entführer will eben mal 10 Millionen und dafür, dass die unfassbar teure Versicherung nur bis 500.000 Euro zahlt, denkt man sich dann eigentlich, man kann es sich gleich sparen.

Ich formuliere es mal zugespitzt: ProSieben zeigt sonst 24 Stunden am Tag „Big Bang Theory“ und du bist jetzt das Primetime-Feigenblatt für die Information?

Feigenblatt würde ich nicht sagen. Ich komme aus dem „Galilleo“-Kosmos an dem der Sender ja seit langer Zeit mit berechtigter Überzeugung festhält. Ich konnte mich da auch ausprobieren und selbst produzieren. Das fand ich immer toll. Da durfte ich z.B. deutsche Altkleider oder deutsche Schrottwagen verfolgen, um mal der Frage nachzugehen, was wirklich damit passiert in Afrika. Und ich konnte das immer gut kombinieren: Einen Film mitbringen und eine Reportage darüber schreiben. „Uncovered“ ist eine Evolution aus diesem „Galileo“-Kosmos. Diese Art Sendung wollte ich immer schon machen.

Wie muss man sich denn die Zusammenarbeit mit ProSieben vorstellen?

Sie haben uns kaum reingeredet und wie schon bei der ersten Staffel gesagt: Macht mal, wie ihr denkt. Und das galt vorher und auch als wir dann in der Postproduktion waren. Wir mussten nur wenig zu Gunsten der Sehgewohnheiten ändern. Hauptsächlich sind es Fragen der Führung des Zuschauers. Da kennt ProSieben seine Zuschauer besser als wir - da müssen wir vertrauen.

"Lustigerweise - und das wird irgendwann mal unser großer Fehler - denken wir nicht über Geld nach."

Dass man jetzt mit dem relativ plakativen Thema Drogen in die zweite Staffel startet, ist aber vermutlich schon den Erwartungen an die Quote geschuldet oder?

Ich bin der Meinung, dass wir auch mit Somalia in die Staffel hätten starten können. Ich habe nämlich einen Touristen begleitet, der Urlaub in Kriegsgebieten macht. Dieser Ansatz ist so ein bisschen der Trick, den wir in "Uncovered" anwenden und den ich auch in Print-Reportagen nutze: Schlage in einer Konferenz nicht vor, „etwas zu Somalia zu machen“. Es braucht ein Thema oder eine Geschichte, die der Zuschauer oder Leser verfolgen will und dabei etwas über das Land erfährt. Also begleiten wir einen britischen Touristen, der rund 220.000 britische Pfund für Reisen in Kriegsgebiete ausgegeben hat. Aber es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass Drogenthemen sich trotzdem leichter erzählen lassen und als Auftaktfolge sehr geeignet sind.

Wer hat die Themen für die zweite Staffel festgelegt?

Die erste Themenkonferenz ist immer bei uns im Büro. Das machen wir zu dritt. Meine Freundin und ich haben eine Flut an Themen, die wir gerne machen würden und Caspar, mein Geschäftspartner, auch. Dann mischen wir die alle zusammen und schauen, was machbar ist und was weniger machbar ist. Lustigerweise - und das wird irgendwann mal unser großer Fehler - denken wir nicht über Geld nach. Dieses Jahr haben wir z.B. eine Geschichte in Neuseeland gemacht für drei Tage und ich bin für diese eine Geschichte mal eben dahin geflogen. Früher als wir als Co-Produzenten für andere Zulieferer von „Galileo“ gearbeitet haben, hätte man mich vermutlich belächelt, hätte ich vorgeschlagen für eine kleine Geschichte mal eben nach Neuseeland zu fliegen. Das können wir nun aber eben auch machen, weil wir so eine kleine Firma sind. Dann kommt das aus unserer Tasche.

Okay, aber was kann für euch ein Thema werden und was nicht?

Bei der Themenauswahl achte ich auch auf Themen, die ich gut im Print unterbringen kann. Damit sich die Recherche auch wirklich auszahlt. Ganz selten schaue ich darauf, was der Zuschauer gerne sehen möchte. Dann erfüllt man nur Erwartungen. Eines der wenigen Beispiele, bei dem das aber zusammentraf, war mein Besuch in Marokko. Da habe ich über die Haschischproduktion und welche Rolle die Droge in der Gesellschaft spielt berichtet, weil ich es a) interessant finde und b) weil ich annehme, das nicht wenige ProSieben-Zuschauer wissen, was kiffen ist.