Eine tägliche Serie zu etablieren, sie am Laufen zu halten und über Jahre hinweg immer wieder neu zu erfinden - das ist sicherlich eine der komplexesten Aufgaben, die das Fernsehen mit sich bringt. Wohl dem, dem genau das gelungen ist, schließlich gelten Soap-Zuschauer als besonders treu. Gerade in einem sich immer weiter fragmentierenden Fernsehmarkt gilt die Bindung zwischen Sendern und Publikum als besonders wichtig, wie sich derzeit am Beispiel der beiden von UFA Serial Drama produzierten RTL-Soaps im Vorabendprogramm sehr schön zeigt.

Denn während der allgemeine Quoten-Trend des Marktführers aus Köln schon seit einigen Jahren nach unten zeigt, konnten "Alles was zählt" und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" ihre Positionen als Bindeglied zwischen Nachrichten und Primetime halten beziehungsweise ausbauen. Die im Schnitt rund 13,7 Prozent Marktanteil, die "Alles was zählt" in diesem Jahr bislang bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern erzielt, sind angesichts des auf zuletzt weniger als zwölf Prozent geschrumpften Senderschnitts somit heute mehr wert als der nahezu identische Wert vor drei Jahren, als bei RTL im Jahresschnitt noch eine 13 vor dem Komma stand.

"Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gelang es sogar, seine Marktanteile in den vergangenen Jahren kräftig zu steigern. Zum Vergleich: 2015 verzeichnete der Dauerbrenner noch weniger als 17 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe, in diesem Jahr beträgt der durchschnittliche Wert dagegen über 19 Prozent. Wie wichtig "GZSZ" für den Sender ist, beweist aber noch eine ganz andere Zahl: An immerhin 21 Werktagen hat die Soap in diesem Jahr den Tagessieg für RTL beim jungen Publikum eingefahren, erreichte am Vorabend also in rund 30 Prozent der Fälle mehr Zuschauer als sämtliche Sendungen in der Primetime - eine überaus beachtliche Leistung.

Dass tägliche Serien regelmäßig Quoten-Schwankungen unterlegen sind, zeigt derweil der Blick auf RTL II, wo "Köln 50667" in jüngster Zeit einen zweiten Frühling erlebt. Nachdem 2016 und 2017 der Jahresschnitt auf weniger als acht Prozent zurückgegangen war, verzeichnet die Filmpool-Produktion nun schon seit November wieder regelmäßig Marktanteile von mehr als neun Prozent, erst vor wenigen Tagen wurde mit 13,4 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen sogar der beste Einzelwert seit mehreren Jahren erzielt. Setzt sich dieser Trend fort, dann könnte der April der erste Monat seit Mitte 2015 werden, in dem "Köln 50667" wieder einen zweistelligen Durchschnittswert schafft.

Langzeittrend: Köln 50667
Köln 50667

Von diesem Rückenwind profitiert aktuell mit "Berlin - Tag & Nacht" auch die zweite RTL-II-Soap, die sich mit einem Marktanteil von 9,4 Prozent derzeit immerhin wieder auf dem Quoten-Niveau von 2016 befindet. Das sind Zahlen, von denen man bei Sat.1 in diesen Tagen nur träumen kann. Zwar haben die Scripted Realitys "Auf Streife - Die Spezialisten" und "Die Ruhrpott-Wache" ihre Schwäche vom Jahreswechsel inzwischen hinter sich gelassen, doch insbesondere um 19 Uhr hinkt Sat.1 den eigenen Ansprüchen momentan gewaltig hinterher: Auf kaum mehr als sechs Prozent Marktanteil bringt es "Die Ruhrpott-Wache" in diesem Jahr.

Vier Piloten für Sat.1, weitere Soap bei RTL

Aus diesem Grund hat Sat.1 für das laufende Jahr nicht nur ein neues Magazin angekündigt, sondern auch den Start einer täglichen Serie. Im März ließ der Sender Pilot-Episoden von gleich vier verschiedenen Konzepten produzieren, "mit sehr unterschiedlichen Ansätzen", wie Senderchef Kaspar Pflüger kürzlich im DWDL.de-Interview verriet. Im Herbst soll die beste Produktion den Weg ins Programm schaffen, in der Hoffnung, verloren gegangene Marktanteile wieder zurückzugewinnen. Dass Sat.1 seit dem Mega-Erfolg von "Verliebt von Berlin" kein großer Wurf im Soap-Bereich mehr gelungen ist, hält den Sender also keineswegs davon ab, es ein weiteres Mal zu versuchen.

Wie schwierig sich die Etablierung einer täglichen Serie gestaltet, weiß man nicht nur bei Sat.1 allzu gut, sondern auch bei RTL. Trotz aller Erfolge in diesem Bereich ist es den Kölnern noch nie gelungen, auch um 17:00 Uhr einen Soap-Hit zu landen. Sowohl "Ahornallee" als auch "Berlin Models" fanden nicht ausreichend Fans, um dauerhaft im Programm zu bleiben. Mit "Freundinnen - jetzt erst recht" will RTL in der kommenden TV-Saison jedoch einen erneuten Anlauf wagen, der im besten Fall auch den Soap-Klassiker "Unter uns" stärken könnte, der sich derzeit nämlich ziemlich formschwach präsentiert.

Mit den kriselnden Scripted Realitys im Nacken reichte es im März nicht mal mehr für einen zweistelligen Marktanteil. Ein Jahr zuvor hatte es "Unter uns" dagegen noch 13,8 Prozent in der Zielgruppe gebracht. Nun bleibt abzuwarten, ob es den Machern gelingen wird, die Serie neu aufzuladen und für die Zuschauer somit  wieder attraktiver zu machen. "Alles was zählt" und "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" zeigen, dass das möglich ist.

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