Für gewöhnlich ist Chris Cuomo nicht um Worte verlegen, doch für einen kurzen Moment wusste selbst der erfahrene CNN-Moderator in den frühen Morgenstunden dieses Mittwochs nicht, was er sagen sollte. Gerade noch analysierte er zusammen mit seinem Kollegen Phil Mattingly an der Videowand, dass Joe Biden in Wisconsin hinter Donald Trump liegt, da sorgten frische Zahlen dafür, dass sich der Herausforderer im Zwischenergebnis plötzlich hauchdünn vor den US-Präsidenten schob. 

Dieser Moment dürfte der Wachmacher gewesen sein in einer Wahlnacht, deren Verlauf sich die Anhänger der Demokraten ganz anders vorgestellt hatten. Die erhoffte "blaue Welle", der Siegeszug Bidens, blieb aus; stattdessen rief sich Trump in einer wirren Rede zum Sieger aus, witterte "Betrug an der Nation" und kündigte gar an, eine weitere Auszählung der Stimmen vom Obersten Gerichtshof des Landes stoppen zu lassen.

Ob sich Trump möglicherweise zu früh gefreut hat – unklar. Doch plötzlich war er da, der Hoffnungsschimmer für Biden und seine Fans. Wie elektrisiert wirkte in Folge dessen auch Chris Cuomo, vor allem aber der Mann an seiner Seite. Ähnlich leidenschaftlich wie Messi mit dem Ball umgeht, wischte Phil Mattingly über Stunden hinweg immer und immer wieder über die "Magic Wall", jenen Monitor, der einen schier unerschöpflichen Quell an Daten und Grafiken zur Wahl umfasst und der mit der Zeit tatsächlich einen gewissen Zauber zu entfalten schien.

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Entschieden sei noch nichts, erklärte Mattingly gebetsmühlenartig, aber die Chance, dass sich die amerikanische Landkarte mit all ihren Wahlkreisen blauer färben würde als zunächst gedacht, führte dazu, dass der Journalist immerzu neue Countys heranzoomte, in denen Biden wertvollen Boden gutmachen könne. Mal speiste sich die Hoffnung auf nicht ausgezählte Briefwahlstimmen, ein anderes wiederum auf gute Ergebnisse, die Hillary Clinton vier Jahre zuvor in den entsprechenden Landesteilen erzielte.

Müdigkeit? Keine Spur. Selbst als Chris Cuomo mit der Zeit durch John Berman ersetzt wurde, wirbelte Mattingly noch vor dem Fernseher und machte damit jeden noch so kleinen Zugewinn der Demokraten zum Strohhalm, an dem sich die Biden-Wählerschaft festhalten konnte. "Wenn Sie gestern Nacht mit dem Gedanken ins Bett gegangen sind, es sei wie 2016: Ist es nicht", stellte Mattingly fest. "Es gibt noch immer einen klaren Pfad für einen Biden-Sieg."

Mit traumwandlerischer Selbstsicherheit, vor allem aber mit der offensichtlichen Passion, den Touchscreen zu bedienen, entwickelte sich der CNN-Mann zum heimlichen Star dieser nicht enden wollenden Wahlnacht – auch, weil Chris Cuomo ihn glänzen ließ. Immer wieder stellte er ihm die entscheidenden Fragen und immer wieder antwortete Mattingly geduldig, warum das Rennen aus seiner Sicht doch noch zugunsten von Joe Biden ausgehen könnte; stets unterstützt von den passenden Zahlen, die er mit wenigen Fingerzeigen auf der "Magic Wall" hervorzauberte.

Mag sein, dass es am Ende für Joe Biden doch nicht reichen wird, um Donald Trump aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Phil Mattingly über Stunden hinweg über den Monitor wischen zu sehen, war in jedem Fall eine große Freude – und ein großer Gewinn für die Berichterstattung über eine Präsidentschaftswahl, die ganz sicher noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird.

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