Wenn Anfang November die Abrechnung der Monatsmarktanteile erfolgt, dann wird der Erfolg von RTL im betrachteten Monat Oktober maßgeblich von einer Produktion abhängen: "Das Sommerhaus der Stars" wird in den kommenden vier Wochen insgesamt zwölf Mal zur besten Sendezeit gezeigt (DWDL.de berichtete) – deutlich kompakter programmiert und dennoch so umfangreich wie nie zuvor. Der Episodenrekord der fünften Staffel, die aus elf Ausgaben bestand, wird jedenfalls geknackt: zwölf Stück sind geplant. Der neue Ausstrahlungsrhythmus mit drei aufeinanderfolgenden "Sommerhaus"-Tagen von Dienstag bis Donnerstag dürfte nicht zuletzt der Erfahrung der Vorjahre geschuldet sein, in denen in den ersten Wochen die höchsten Marktanteile gemessen wurden, während zum Ende hin das Interesse klar rückläufig war.

Doch nicht nur RTL und Produktionsfirma Seapoint dürften dem Start der mittlerweile sechsten Staffel von "Das Sommerhaus der Stars" mit regem Interesse entgegenfiebern, die komplette Trash-TV-Branche wird aus den kommenden Quoten Rückschlüsse ziehen, hat sich dieses Genre in den vergangenen Monaten doch so sehr wandeln müssen wie kein anderes. Dass ausgerechnet das "Sommerhaus" erneut ein Exempel statuieren muss oder darf, passt dabei, war es doch einst jene Sendung, die die Daumenschrauben mittels erzählerischer Verdichtung und herbeigeführten Skandalen so richtig anzog - und letztlich dem selbst herbeigerührten "Quotengift", zusammengebraut aus sich hochschaukelnden Konflikten, ein Stück weit erlag.

Als unerträglich können einige Szenen der fünften Sommerhaus-Staffel 2020 angesehen werden, allen voran jener Eklat, in dem ein Kandidat einem anderen ins Gesicht spuckte. Auch die quotentechnisch für Rekorde mit bis zu knapp 28 Prozent in der Zielgruppe sorgende Staffel mit Michael Wendler und seiner Laura war sicherlich nicht unbedenklich, hatte der Schlagerstar doch das Gesäß seiner Freundin anderen zum Anfassen angeboten - das war schon damals mehr als fragwürdig und dürfte in einer Zeit, in der genauer denn je auf diese Formate geblickt wird, erst recht nicht mehr durchgehen.

Dass sich die Wahrnehmung solcher Skandale und Skandälchen offensichtlich geändert hat, erfuhr ausgerechnet ein Format, das eigentlich eine (indirekte) Antwort auf das RTL-"Sommerhaus" war. "Promis unter Palmen", gesendet von Sat.1 und produziert von Endemol Shine Germany, machte 2020 während Staffel eins große Schlagzeilen wegen Mobbings, das nicht ausreichend aus dem Off eingeordnet wurde und musste nach homophoben Aussagen in Staffel zwei vor einigen Monaten zunächst umgeschnitten werden. Etliche Folgen wanderten dann ungesendet ins Archiv, weil Kandidat Willi Herren (der sich in der Show noch gegen Homophobie stellte) plötzlich verstarb. Sat.1 hat von "Promis unter Palmen" inzwischen komplett Abstand genommen, Projekte wie dieses passen nicht mehr zur neuen Ausrichtung des Familiensenders.

Für RTL soll "Das Sommerhaus der Stars" derweil wesentliche Teile der Oktober-Primetime bespielen, doch was bleibt übrig von einer von Überspitzung und Eskalation lebenden Reality-Show, wenn Extreme nur inzwischen ungewollte Shitstorms nach sich ziehen und deshalb besser ausbleiben? Die Antwort: "Große Unterhaltung in all ihren Facetten", wie es sich RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm schon während der Produktion im Juni erhoffte, als er von einem "vielfältigen Cast, unterschiedlichen Paarkonstellationen" und "deutlich weniger Konfliktpotential" sprach. Inkludiert sind auch Humor, Herzlichkeit und ein Blick auf strategische Überlegungen der Teilnehmenden, um sich den Sieg zu sichern. Blöd nur, dass Wettbewerbe mit starkem Strategieanteil in Deutschland noch nie funktionierten, egal wie gut sie umgesetzt waren. Vox hat das unlängst mit "Survivor" erlebt, Sat.1 hatte 2020 mit "The Mole" keinen allzu großen Erfolg.

Fehlendes Gewürz

Wie schmal der Grat zwischen Nicht-Eskalation und schlichter Langeweile ist, bekam ProSieben zu spüren, das vor einigen Monaten "Die Alm" neu aufleben ließ, dabei aber der Herzlichkeit auf den Leim ging. Nach Ausstrahlung der letztlich doch quotenschwachen Sendung (8,2% im Schnitt, jedoch nur noch 5,5% beim Finale bei den 14- bis 49-Jährigen) bemängelte auch ProSieben-Senderchef Daniel Rosemann, auf der "Alm" viele Freundschaften gehabt zu haben. "Vielleicht hat dadurch hin und wieder auch ein bisschen Gewürz gefehlt."

Doch mitunter gelingt es noch, die passende Würzmischung zu finden – und so ist es ausgerechnet jener Sender, der Reality in Deutschland vor 20 Jahren überhaupt erst groß machte, der möglicherweise ein passendes Vorbild liefert: RTLzwei. "Kampf der Realitystars", eine Banijay-Produktion, schaffte es dort schon den zweiten Sommer, nicht zu langweilen, aber auch nicht zu überdrehen. Das wird auch vom Publikum goutiert: Als einziges großes Trash-TV-Format legte man zu. Während "Promi Big Brother" year-on-year 2,4 Prozentpunkte in der Zielgruppe verlor, waren es beim "Sommerhaus" 2020 sogar gut sieben Prozentpunkte weniger als 2019. Auch "Love Island" schnitt in diesem Herbst gegenüber dem Vorjahreszeitraum rund eineinhalb Prozentpunkte schwächer ab. Nicht so "Kampf der Realitystars": Diese Produktion landete bei durchschnittlich 8,9 Prozent und somit einen Prozentpunkt über dem Vorjahresergebnis.

Für die Monatsbilanz von RTL im Oktober gibt es also doch noch Hoffnung. Die ganz sichere Bank von früher ist "Das Sommerhaus der Stars" aber weder storytechnisch noch mit Blick auf die zu erwartenden Quoten. Denn es bleibt ein schmaler Grat zwischen Shitstorm und Langeweile.

"Das Sommerhaus der Stars", dienstags, mittwochs und donnerstags, 20:15 Uhr, RTL

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