Alles begann mit einem simplen Video. Auf die Melodie des Liedklassikers "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" dichtete der Radiosender WDR 2 mit Blick auf den Generationenkonflikt in der Klima-Debatte einen neuen, offenkundig satirischen Text und ließ einen Dortmunder Kinderchor unter anderem die Zeile "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau" singen. Was dann passierte, dürfte wohl niemand auch nur ansatzweise erwartet haben: Ein regelrechter Shitstorm brach auf den WDR hinein, der so weit ging, dass sich der Sender dazu entschloss, das umstrittene Video wieder zu löschen.

Und damit nicht genug: In einer eigens einberufenen Sondersendung stellte sich WDR-2-Chef Jochen Rausch den Fragen der Hörerinnen und Hörer - und sogar der Intendant höchstpersönlich meldete sich telefonisch zu Wort, um sich "ohne Wenn und Aber" zu entschuldigen. "Das Lied war ein Fehler", sagte Tom Buhrow am Samstag. Vom Tisch war das Thema damit allerdings nicht - im Gegenteil. In den darauffolgenden beiden Tagen spitzte sich die Situation weiter zu. 

Am Sonntagnachmittag versammelten sich rund 100 Demonstranten vor dem WDR-Gebäude am Kölner Appellhofplatz, darunter rund 20 bis 30 Rechtsextreme. Zeitweise kam es nach Angaben der Polizei zwischen linken und rechten Meinungsgegnern zu verbalen Provokationen. Mehr noch: Im Internet wurden die Telefonnummer des Kinderchor-Chefs verbreitet und vor der Wohnung eines freien WDR-Mitarbeiters tauchten offenkundig Neonazis auf, nachdem dieser mit einem provokanten Tweet die Diskussion noch weiter anheizte.

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"Lass mal über die Großeltern reden, von denen, die jetzt sich über #Umweltsau aufregen. Eure Oma war keine #Umweltsau. Stimmt. Sondern eine #Nazisau", schrieb der freie Mitarbeiter am Samstag und stellte später klar, nicht die Absicht gehabt zu haben, jemanden persönlich zu beleidigen. "Meine Absicht war eine sarkastische Bemerkung zum Thema #Umweltsau. Das war unüberlegt." Dass er zwischenzeitlich wenig Rückendeckung vom WDR erhielt, handelte dem Sender derweil neuerliche Kritik ein. 

Nachdem der aus dem Ruder gelaufene Disput um das Satire-Video inzwischen sogar Morddrohungen nach sich zog, meldete sich am Montag auch WDR-Intendant Tom Buhrow noch einmal zu Wort. "Wir erleben gerade eine Kontroverse, die am Anfang den WDR betraf, aber weit darüber hinausgeht", sagte Buhrow in einem vom WDR veröffentlichten Video-Statement. "Man muss Fehler eingestehen können und das haben wir dann auch getan. Aber was wir jetzt erleben, das sagt Erschreckendes aus über den Zustand in unserem Land."

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Buhrow erklärte, der WDR werde seine Mitarbeiter "nach Kräften schützen und wir gehen gegen diese Drohungen auch mit aller Macht vor". Er frage sich jedoch, "was ist mit unserem Land los, dass ein missglücktes Video zu Morddrohungen führt? Wir müssen doch wieder zur Besinnung kommen. Wir können doch nicht den Scharfmachern und rechthabern das Feld überlassen." Und weiter: "Wir reden so viel vom Klima in diesen Monaten. Wir brauchen ein neues Klima des Miteinander in unserem Land."

Fraglich, ob das Thema durch das neuerliche Statement des Intendanten aus der Welt geschafft werden kann; zu verhärtet scheinen die Fronten - und zu dankbar war der unbeholfene Umgang des WDR mit der Kritik an dem Satire-Video für all jene, die nach Gründen für eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks suchen und damit nebenbei auch die deutsche Medienlandschaft grundlegend verändern wollen. Mutmaßlich nicht zum Besseren.

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