495 Serien allein in den USA in diesem Jahr - diese Zahl hat FX Network Research für 2018 erhoben. Damit sind es in diesem Jahr erneut mehr Serien als im Vorjahr, allerdings ist der Zuwachs kleiner als in den vergangenen Jahren (mehr Details hier). 495 also. Und die vielen, vielen Serien, die außerhalb der USA veröffentlicht werden, sind da nicht mit eingerechnet. Auch hier habe ich den Eindruck, dass es mehr werden, eine Studie habe ich dazu jedoch nicht gefunden.

Das heißt: In diesem Jahr ist das Serien-Gebirge um einen weiteren Berg gewachsen, dessen Spitze höher ist als die der anderen. Und ich sitze, wie viele andere Zuschauerinnen und Zuschauer, irgendwo an diesem Berg - vielleicht an einem Bächlein, das durch einen kleinen Wald plätschert -, und frage mich: Habe ich vielleicht das Beste verpasst? Hat mir die schiere Masse den Blick versperrt auf das richtig Gute? Nicht falsch verstehen: Ich habe einige richtig gute Serien gesehen. Aber ich habe auch sehr viel gesehen, was mir bekannt vorkam, was Längen hatte oder was mich aus anderen Gründen nicht vom Hocker gerissen hat. Gerade bei amerikanischen Serien hatte ich viel seltener dieses "Wow! Das ist ja der Hammer!"-Gefühl in diesem Jahr. Das kann natürlich zum Teil an mir selbst liegen: Ich gucke vielleicht zuviel, kenne zuviel, erwarte zuviel. Aber gleichzeitig liegt es natürlich vor allem auch an denjenigen, die Serien in Auftrag geben und die Serien machen. 

Beim Zusammenstellen der Serien für meinen Rückblick habe ich festgestellt, dass ich in diesem Jahr deutlich mehr europäische Serien geschaut habe als in den vergangenen Jahren. Das könnte man auf zwei Arten deuten: 1. Ich habe mich europäischen Produktionen zugewandt, weil mich die Masse der amerikanischen nicht begeistert hat. Oder 2. das europäische Angebot ist größer und spannender geworden und hatte mir mehr zu bieten als in den Jahren zuvor. Vermutlich spielen beide Gründe ineinander. Das schlägt sich auch auf meiner Lieblingsserien-Liste nieder: Die europäischen Produktionen sind in der Mehrheit.   

Ich habe meine Lieblingsserien-Liste in diesem Jahr in Kategorien unterteilt. Weil es mir passender erschien und ich so nicht priorisieren musste. Aber wie jedes Jahr bei meinem Rückblick gilt auch in diesem Jahr wieder: Ich erhebe mit der Liste nicht den Anspruch, die besten Serien des Jahres zu küren. Ein solcher Anspruch widerspräche meiner Kolumne und meinem Verständnis von Serienrezeption, die meiner Ansicht nach immer subjektiv gefärbt ist. 

Die neuen Serien, die mir am meisten Vergnügen beim Gucken bereitet haben: 

Platz 1: 
"Killing Eve" - Wow! Einfach nur wow! Diese ungewöhnliche Spionin-jagt-Auftragskillerin-und-andersherum-Geschichte hat mir quasi durchgängig das oben beschriebene "Wow"-Gefühl beschert. Hut ab vor der britischen Showrunnerin Phoebe Waller-Bridge, die hier die Buch-Vorlage "Codename Villanelle" von Luke Jennings sehr clever adaptiert hat. Und Respekt vor den schauspielerischen Leistungen der Hauptdarstellerinnen Sandra Oh als Eve Polastri und Jodie Comer als Villanelle. Leider ist die BBC-America-Serie noch immer nicht in Deutschland verfügbar, ich habe sie in meinem Urlaub in Schottland geschaut.

2. Plätze (alphabetisch sortiert):
"Ad Vitam" - Französisches Unsterblichkeitsszenario, das sich wohltuend von ähnlichen Geschichten abgesetzt. Spannend erzählt, zum Nachdenken anregend und sehr gut besetzt. Lief im November auf Arte, ist derzeit aber nicht mehr in der Arte-Mediathek verfügbar.
"Bad Banks" - Dieser ZDF-Thriller im Bankenmilieu hat mich überrascht und gefesselt zugleich. Lief im Frühjahr im ZDF, ist jetzt auf Netflix und Amazon verfügbar.
"Bodyguard" - Very british und enorm spannend. Auch hier hatte ich "Wow!"-Gefühle. Herrlich. Ich war in jeder Sekunde dieser Serie höchst angespannt, immer aufs Äußerste gefasst. Trotzdem entwickelte sich die Geschichte um den Bodyguard einer umstrittenen Innenministerin immer anders, als ich dachte. Nur bei Netflix verfügbar.
"Chilling Adventures of Sabrina" - Ich mochte "Sabrina" als Sitcom Ende der 90er-Jahre. Und ich war nun auf die Umsetzung der düsteren Sabrina-Geschichten gespannt: Meine Erwartungen wurde voll erfüllt. Ich habe die Serie über die junge Hexe sehr genossen und freue mich über die feministischen Ansätze in der Entwicklung der Hauptfigur Sabrina Spellman. Eine ausführliche Lobhudelei zur Serie von mir gibt's hierNur bei Netflix verfügbar. 
"Dietland" - Wurde leider nach Staffel eins eingestellt. Aber: Die erste Staffel lohnt sich auf jeden Fall. Denn hier wird die ungewöhnliche Geschichte der übergewichtigen Alicia Kettle mit unerwarteten Stilmitteln erzählt. Das macht Spaß und regt zum Nachdenken an! Einen längeren Text von mir dazu gibt's hier. Nur bei Amazon verfügbar. 
"Die Wege des Herrn" - Die neue dänische Drama-Serie des "Borgen"-Machers Adam Price ist beeindruckend. Sie erzählt vom Glauben, vom Zweifel, von Familie, vom Zusammenleben. Und demontiert so nebenbei ein althergebrachtes Männerbild. Ist noch bis 28. Dezember in der Arte-Mediathek verfügbar.
"Hilda" - Eine Kinderserie, jawohl. Aber diese britische Animationsserie ist auch für Erwachsene sehr sehenswert. Die Erlebnisse der Titelheldin "Hilda" sind spannend und fantasievoll erzählt, liebevoll bis ins Detail gezeichnet. Mehr dazu von mir hier. Nur bei Netflix verfügbar. 
"Lodge 49" - Tja, was ist "Lodge 49" eigentlich? Eine wehmütige Geschichte mit einer bedauernswerten Figur im Mittelpunkt. Ja, auch. Aber "Lodge 49" auch verrückt, wild, überraschend, anrührend. Und dazu ungewöhnliche Bilder. Mit ein paar "Wow!"-Momenten. Nur bei Amazon verfügbar.
"Succession"
- Oh! Diese HBO-Serie über eine stinkreiche Medien-Dynastie ist speziell. Entweder man ist begeistert oder findet sie doof. Ich gehöre zu den Begeisterten, weswegen sie auf meiner Liste gelandet ist. Großartig geschrieben, super besetzt. Eine Lobhudelei von mir gibt's hier. Ist zum Beispiel bei Amazon, iTunes oder Maxdome verfügbar. 

Die neue Serie, bei der ich am lautesten gelacht habe:
"Das Institut - Oase des Scheiterns" - Ich habe sie zwar noch 2017 gesehen, aber meinen Rückblick hatte ich da schon veröffentlicht - deswegen gehört sie in den Rückblick 2018, habe ich beschlossen. Diese BR/NDR-Serie um ein deutsches Kulturinstitut in einem fiktiven zentralasiatischem Land hat mir sehr großen Spaß gemacht. Ich habe in jeder Folge mehrfach laut aufgelacht, die Figuren sind herrlich, die Dialoge sitzen und die Entwicklungen sind manchmal wunderbar absurd. Ist immer mal wieder in der ARD-Mediathek verfügbar, derzeit allerdings nicht. Gibt's auch bei Amazon, iTunes und MagentaTV.

Die neuen Serien, die mich am meisten berührt haben:
"Sorry for your loss" - Eine junge Frau verliert ihren Ehemann bei einem Unfall. Und wir verfolgen, wie ihr Leben danach weitergeht. Wie sie trauert, wie sie verzweifelt, wie sie wütend ist, wie sie versucht, mit diesem Verlust zu leben. Und wie sie sich fragt: Kannte ich den Mann an meiner Seite überhaupt? Behutsam erzählt. Tut manchmal richtig weh. Und Elizabeth Olsen ist großartig in der Hauptrolle. Einen längeren Text von mir dazu gibt's hier. Nur bei Facebook Watch verfügbar. 
"The End of the f***ing World" - Diese britische Serie hat mich umgehauen, weil sie so direkt, so unverstellt ist. Die seltsame Geschichte der beiden Jugendlichen auf dem Weg ins Erwachsenwerden hat mich getroffen und war phasenweise schwer zu ertragen. Wow! Nur bei Netflix verfügbar. 

Die Serien, deren zweite Staffeln mich am meisten begeistert haben:
"Better Things" - Firmiert eigentlich als Comedy, aber dafür ist sie zu ernst, zu nah an der Realität. Das Leben einer alleinerziehenden Mutter dreier Töchter, die als Schauspielerin relativ erfolgreich ist, anektdotisch und ziemlich direkt erzählt. In diesen Alltagsszenen steckt viel drin, das mich persönlich berührt hat. Staffel 2 hat die sehr gute Staffel 1 noch getoppt, weil sie sich auf die Hauptfiguren konzentriert und die Beziehung zwischen Töchtern und Mutter noch stärker in den Mittelpunkt rückt. Pamela Adlon spielt die Hauptfigur beeindruckend gut. Riesige Vorfreude auf Staffel 3! Einen ausführlichen Text von mir dazu gibt's hier. Die Staffeln 1 und 2 sind zum Beispiel bei Amazon, iTunes oder MagentaTV verfügbar. 
"The Good Fight" - Die erste Staffel dieses "The Good Wife"-Spin-offs war sehr gut und landete 2017 auf meiner Liste - aber die zweite Staffel war grandios. Die Serie um die Anwältin Diane Lockhart (Christine Baranski) ist politischer als die Ausgangsserie und findet in Staffel 2 eine kraftvolle Stimme. Auch hier: riesige Vorfreude auf Staffel 3! Eine Lobhudelei von mir dazu findet sich hier. Staffel 1 bei Amazon (Prime) und iTunes. Staffel 2 lief bis November im deutschen Bezahlsender Fox Channel. 

Und dann gibt's noch ein paar Serien in diesem Jahr, für die ich bisher keine Zeit hatte, die ich aber auf jeden Fall in den nächsten Wochen nachholen werde:
"Homecoming" - Nur bei Amazon (Prime) verfügbar.
Die zweite Staffel von "The Marvelous Mrs. Maisel" - nur bei Amazon (Prime) verfügbar.
Die neue Staffel von "The Good Place" - zum Beispiel bei Amazon, iTunes oder Maxdome verfügbar.
Die letzte Staffel von "The Americans" - gibt's zum Beispiel bei Amazon, iTunes oder Maxdome.

Zum Schluss noch ein kleiner Ausblick aufs nächste Jahr:
Ich freue mich sehr auf: "Good Omens" und "Picard" (wird hoffentlich nicht erst 2020 veröffentlicht!). 
Und bin gespannt auf: die deutsche Serie "8 Tage" und die österreichische Serie "Freud".

Meine Kolumne macht jetzt eine kleine Weihnachtspause, Mitte Januar geht's hier weiter.
Haben Sie frohe Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr! Und vielleicht haben Sie ja auch Zeit für die ein oder andere hervorragende Serie. :-)