Sushi zu bestellen war eine dumme Idee. Mehr als einmal vergeht einem bei diesem vom ZDF servierten Weltuntergang jeder Appetit auf Fisch und Meeresfrüchte. Selbst wer den Bestseller von Frank Schätzing nicht gelesen hat, dürfte die Prämisse kennen oder wird spätestens mit der ersten Szene der Serie eingestimmt als ein Fischer in Peru nach seinem Netz taucht und dabei in einem gewaltigen Schwarm von Fischen stirbt.

In immer wieder opulenten Bildern, die keinen Zweifel daran lassen, dass Mutter Erde die Hauptrolle spielt, beginnt die Erzählung von sich häufenden Anomalien in aller Welt. Sie springt rund um den Globus, nimmt sich dabei bemerkenswert viel Zeit. „Der Schwarm“ schafft den Spagat, einerseits die Einführung der Charaktere mit nötiger Ruhe über mehrere Folgen hinweg zu strecken und andererseits, zügig einen Sog zu entwickeln, dem man sich nach vorab gesichteten sechs Folgen nicht entziehen kann.

44 Millionen Euro hat das Ding gekostet. Keine deutsche Serie war bislang so teuer und doch ist es nicht das in den acht Folgen immer wieder spürbare Rekord-Budget, das dieses gemeinsam mit Koproduktionspartnern realisierte Projekt für das deutsche Fernsehen so wegweisend macht. Alle Jahre wieder wird schließlich eine kostspielige Serie zum internationalen Durchbruch deutscher Kreativität stilisiert, einst etwa „Deutschland 83“ und wenig später „Babylon Berlin“.

Der Schwarm © ZDF / Staudinger + Franke

Das Genre macht den Unterschied, denn „Der Schwarm“ sprengt die Fesseln dessen, was bislang international aus Deutschland nachgefragt wurde: Es ist weder Krimi, noch Thriller oder Period-Drama deutscher Geschichte. Was hier ab Mittwoch zuerst in der ZDF-Mediathek und dann Anfang März an vier Tagen auch noch zur besten Sendezeit im ZDF läuft, ist unbequeme Science Fiction made in Germany. Dafür muss man erstmal Koproduktionspartner finden.

Unbequem und unangenehm ist „Der Schwarm“, weil er eine Welt erzählt, die dann leider nicht so furchtbar weit weg ist von unserer Realität. Auch die Corona-Pandemie trägt ihren Teil dazu bei, die Bedrohung noch realer wahrzunehmen: 2020 haben wir schließlich erlebt, wie zügig ein lokales Phänomen in einer vernetzten Welt zum globalen Problem werden kann. „Was wäre wenn?“ ist eine Frage, die uns „Der Schwarm“ immer wieder stellt.

Schätzing hätte sich eine intensivere Einbindung der vornehmlich europäischen Klimaschutzdebatte (Stichwort Fridays-For-Future) gewünscht, ließ er vergangenen Woche in einem "Zeit"-Interview unter anderem verlauten. Doch „Der Schwarm“ hat politischen Frontalunterricht gar nicht nötig, regt auch so immer wieder zum Nachdenken an, ohne sich Antworten auf elementare Fragen anmaßen zu wollen. Für den internationalen Verkauf der Serie wäre es sogar hinderlich, weil dann zu euro-zentrisch.

Es käme wohl nur mäßig gut an, wenn von dem Kontinent, der wie kein anderer über seine Verhältnisse lebt und über Jahrhunderte die Welt geplündert hat, jetzt Belehrung via Unterhaltungsfernsehen exportiert wird. Und genau das soll „Der Schwarm“ ja schließlich noch werden: Ein deutscher Export-Erfolg, mal ganz ohne Stoff zum zweitem Weltkrieg oder unsere Kernkompetenz Krimi.

Der Schwarm © ZDF/Schwarm TV Production Tina Lund und Dr. Sigur Johanson

International werden noch weniger Menschen die Lektüre der Buchvorlage in so genauer Erinnerung haben, dass Unterschiede zwischen Buch damals und Serien-Adaption heute sofort ins Auge fallen. Frank Schätzing selbst geht es da natürlich anders, beispielsweise weil die Figur des Meeresbiologen Dr. Sigur Johanson, sozusagen sein Alter Ego im Buch, in der Serie von Alexander Karim jünger, smarter und auch emotionaler dargestellt wird. Da darf es zum Beispiel in Folge 3 auch mal kurz „pilchern“, wie Schätzing es monierte.

Ärgerlicher ist spätestens in dieser Folge aber ein anderer Aspekt; der vielleicht größte Fehler der Serie. Wenn zehntausende Quallen Venedig befallen, würden die Bilder davon heutzutage binnen Minuten um die Welt gehen und die besorgniserregende Häufung von unerklärlichen Phänomen wären medial längst in Zusammenhang gesetzt. Nicht so beim „Schwarm“. Hier hat die Verfilmung verpasst, das Tempo der immer intensiver vernetzten Welt in der Geschichte zu aktualisieren. Das wäre wichtiger gewesen als der Handlungsstrang um den japanischen Unternehmer Aito Mifune, der ein bisschen dem Koproduktionspartner Hulu Japan geschuldet scheint.

Schadet es der Serie? Nein, nicht sehr, denn der Sog des Katastrophenfilms in Serienlänge funktioniert, die Visualisierungen werden immer unheimlicher und versprechen mit Blick auf die finalen beiden Folgen viel, wobei abzuwarten ist wie die Serienversion konkret endet. Stand jetzt ist „Der Schwarm“ großes Kino in Serie. Nicht ohne Grund war das Buch von Schätzing schließlich ein Bestseller und allen gekränkten Eitelkeiten und erwartbaren Reflexen des Feuilleton zum Trotz, macht dieser atmosphärisch inszenierte Weltuntergang einen Heidenspaß. Wenn man das Sushi beiseite legt.

Das ZDF veröffentlicht die ersten drei Folgen von "Der Schwarm" am Mittwoch, 22. Februar um 10 Uhr in seiner Mediathek, am 1. März folgen dann die Folgen 4 bis 6, die finalen beiden Episoden sind erst ab dem 8. März online zu sehen. Im ZDF-Hauptprogramm werden vom Montag, 6. März bis zum Donnerstag 9. März an vier aufeinanderfolgenden Tagen jeweils Doppelfolgen um 20:15 Uhr gezeigt.

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