Eigentlich schien es, als habe sich das deutsche Fernsehen darauf verständigt, einem wie Michael Wendler keine Bühne mehr zu geben. Doch das hat sich offenbar geändert. Kaum ist die neue Programmdirektion bei RTLzwei im Amt, da setzt sie bereits eine erste Duftmarke – und die verheißt nichts Gutes.

Etwas mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit RTL den einstigen Schlagersänger mehr schlecht als recht aus der Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" entfernte, weil dieser mit wirren Verschwörungstheorien und einem abstrusen KZ-Vergleich auf seinem Telegram-Kanal von sich reden machte. Und jetzt? Kündigt RTLzwei eine Dokusoap über Wendler und seine schwangere Frau Laura Müller an – und versieht die an diesem Dienstag verschickte Pressemitteilung mit der blumigen Überschrift: "Michael Wendlers Baby-Glück bei RTLzwei".

Die Rede ist vom "Auswanderer-Paar" – ganz so, als handle es sich bei Wendler und Müller um entfernte Verwandte von Daniela Katzenberger oder Konny Reimann. Gezeigt werden sollen alle "Höhen und Tiefen, die die werdenden Eltern gemeinsam erleben", heißt es, "vom Geburtsvorbereitungskurs bis zum Babybett-Kauf". Und die Geburt des Kindes wird gar als "Staffel-Highlight" angepriesen.

Geht's noch?

In Grünwald hat man offenkundig all die Skandale der Vergangenheit vergessen. Dass Wendler "nahezu alle Fernsehsender" als "gleichgeschaltet" und "politisch gesteuert" bezeichnete? Egal. Dass er Corona-Schutzmaßnahmen mit Konzentrationslagern verglich? Wurscht. Dass er antisemitische und rechtsextremistische Aussagen auf seinem Telegram-Account teilte? Alles vergessen.

Der öffentliche Aufschrei ist freilich einkalkuliert. Nicht umsonst darf sich Michael Wendler in besagter Pressemitteilung noch einmal reumütig äußern wie sein Ex-"DSDS"-Kollege Xavier Naidoo, der nach seinen verbalen Schwurbel-Ausfällen schon vor einem Jahr den Rückweg ins Rampenlicht suchte. "Von einigen meiner Äußerungen der Vergangenheit möchte ich mich klar distanzieren", wird Wendler von RTLzwei maximal schwammig zitiert. Man möchte fragen: Wovon eigentlich genau? Und, noch interessanter: Wovon nicht?

"Toleranz und Wertschätzung"?

Was Wendlers Entschuldigungen wert sind, dürften die Kollegen von RTL noch genau in Erinnerung haben. Als der damalige Castingshow-Juror von der Gleichschaltung der Medien fabulierte, nahm er seine Aussagen unter dem Druck der Öffentlichkeit zurück – um sich nur wenige Wochen später noch krasser zu äußern. Bei RTLzwei scheint man vor einem Rückfall im Jahr 2023 keine Sorgen zu haben. "Der Sender gibt radikalen Agenden und Positionen keine Plattform", lässt ein Sprecher ausrichten. Doch wie sich Wendler außerhalb des Programms äußert, darauf hat RTLzwei eben freilich nur bedingt Einfluss, auch wenn der Sänger jüngst – so ein Zufall – seinen Telegram-Account geschlossen hat.

Man weiß gar nicht, wer eigentlich verzweifelter ist: Michael Wendler, der dringend eine neue Einnahmequelle benötigt, der Produzent Rainer Laux und die Produktionsfirma Endemol Shine Germany, die auf ihrer Website irgendetwas von "Toleranz und gegenseitiger Wertschätzung" faselt, oder der Privatsender RTLzwei, der angesichts nachlassender Relevanz sein Heil in einer Figur sucht, die bei OnlyFans noch am besten aufgehoben war.

Aber wenn's der Rettung der miesen Einschaltquoten dient, dann schaut man wohl gerne über all die Verfehlungen der vergangenen Jahre hinweg – und lässt ganz nebenbei auch noch eigene Initiativen unglaubwürdig erscheinen. "Hass hat Hausverbot", tönte RTLzwei vor nicht mal einem Jahr. Für den Wendler gilt das augenscheinlich nicht.

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