Bild: ARD/BR/WilschewskiAls Mitte Mai die Meldung über Deutschland hereinbrach, dass Oliver Pocher künftig an der Seite von Harald Schmit Platz nehmen wird, um die Late-Night-Sendung des Altmeisters der komischen Fernsehunterhaltung zur Hälfte mit zu übernehmen, dachten viele zunächst an einen verspäteten April-Scherz. Doch es ist wahr. Die Quoten waren zuletzt schwach, die Show brauchte ein neues Konzept - vor allem weil sie ab Herbst nur noch einmal pro Woche zu sehen sein wird, dafür dann aber eine Stunde lang. Zuletzt überzeugte Schmidt, auf dessen Wunsch Pocher zum Team hinzustößt, wohl nur noch die schöngeistigen Fernsehzuschauer, die - wie einst der ehemalige ARD-Vorsitzende Jobst Plog - der Ansicht sind, "Harald Schmidt ist Grundversorgung".

Freudig erregt teilte die ARD durch die WDR-Programmdirektorin Verena Kulenkampff dann auch mit, dass Pocher, der für eine junge Zielgruppe stehe, der Sendung "neue Impulse" geben könne. Pocher, so schrieb die ARD eilig in ihre Mitteilung, wechsele damit exklusiv zur ARD. Doch was genau das heißt, blieb unklar - bis heute. Fest steht lediglich, dass er einmal pro Woche in der Sendung "Schmidt und Pocher" zu sehen sein wird. Einen Vertrag mit der ARD gibt es nicht. Engagiert wurde der bisherige ProSieben-Moderator von Schmidts Produktionsfirma Kogel & Schmidt, die den Künstler aus ihrem Produktionsbudget bezahlt. Tolle Sache: Keine Mehrkosten für die ARD und es gibt gleich ein neues Gesicht, dass sich in jungen Zielgruppen großer Beliebtheit erfreut, als exklusives Aushängeschild obendrauf.

"Es wird sicherlich noch weitere Sendungen mit Oliver Pocher im Ersten geben. Was genau, wissen wir noch nicht", sagte ARD-Sprecher Burchard Röver im Mai dem Medienmagazin DWDL.de. "Man hätte ihn sicher nicht exklusiv an sich gebunden, wenn man nicht die Vorstellung gehabt hätte, dass für ihn Platz ist in unserem System", tastete sich Röver vor.
 
 
Überrascht waren wohl nicht nur die Zuschauer, sondern auch Pocher selbst. Kurz nach Bekanntwerden des Deals sagte er in einem Interview mit dem "Spiegel", die ARD sei "mit Abstand der coolste Sender, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Man muss da nicht mal die Leute treffen, um eine eigene Sendung zu bekommen". Er habe darüber hinaus "noch überhaupt niemanden" von der ARD persönlich kennengelernt. Das mutet eigenartig an für einen Sender, der großen Bedacht legt auf das, was seine Repräsentanten auf dem Bildschirm veranstalten und bei dem kurz zuvor die Wirren um ein Engagement Günther Jauchs großen Wirbel in nahezu allen Gremien verursachten, die in irgendeiner Form etwas zu melden haben im System ARD.

Sicherlich lassen sich Jauch und Pocher in dem, was sie tun, nicht vergleichen. Doch beide kommen von den Privaten und werden von den der öffentlich-rechtlichen ARD als Personal-Coup gefeiert. Jauchs Engagement schien letztlich an der föderal und pluralistisch organisierten ARD und ihrem staatstragenden Duktus gescheitert zu sein. Bei Pocher blieb der große Zoff bislang aus. Zu unbedeutend ist vielleicht der Sendeplatz. Doch vielleicht hat man sich einfach auch noch nicht genau angesehen, wen man da auf schnellstem Wege per Pressemitteilung vom Moderator zum Aushängeschild befördert hat. Fritz Pleitgen zumindest, immerhin bis Ende März WDR-Intendant, bekannte im Juni während einer öffentlichen Diskussion zur Frage, ob Pocher verantwortungsvolles Fernsehen sei, dass er Pocher gar nicht kenne, ihm dann aber schon mal "Hallo" sagen werde.

Man darf also gespannt sein, wie viel Raum die ARD Pocher geben wird, dessen Humor zunächst wenig vereinbar mit dem öffentlich-rechtlichen Wertekanon scheint. Bereits zwei mal sorgte er mit einem Auftritt beim ZDF für einen Eklat. Als Moderator der Außenwette beim ZDF-Heiligtum "Wetten dass…?" empfahl er im Jahr 2005 einer Zuschauerin im Gespräch eine Schönheits-Operation. Medienwirbel und Klage folgten. Als Gast bei "Gottschalk & Friends" vor rund zwei Jahren bezeichnete er US-Sängerin Maria Carey in deren Anwesenheit indirekt als "Presswurst". Ein Rauschen im Blätterwald folgte. Pocher könnte die ARD-Oberen – sollte man ihn außer auf Schmidt auch noch auf andere Menschen loslassen – sicher das ein ums andere Mal zum Haare-Raufen bringen. Denn er steht nicht für strategisch kalkulierten Humor mit Risiko-Abwägung und Interessenausgleich.

Anlässlich des Kinostarts seines Spielfilms "Vollidiot" in diesem Frühjahr sagte Pocher in einem Interview mit der Zeitschrift "TV Direkt", der Presswurst-Skandal sei nicht geplant gewesen. "Das war ein spontaner Spruch, eine Entscheidung in Bruchteilen von Sekunden". Den Skandal hätten dann auch erst die Medien daraus gemacht, sagte Pocher. Eine interessante Einstellung, mit der er jedwede Verantwortung für sein Wirken vor der Kamera von sich weist.
 
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