Er habe sich gefragt, warum er als Gastredner eingeladen worden sei, sagte Sigmar Gabriel. "Aber dann habe ich gemerkt: Wir haben beide ein Reichweitenproblem." Es war ein launiger Einstieg den der ehemalige Bundesaußenminister bei seiner Rede zur Eröffnung der Screenforce Days in Köln wählte. Tatsächlich traf Gabriel aber einen wunden Punkt, denn angesichts der wachsenden Zahl an Angeboten stehen die Fernsehsender mehr denn je vor der Herausforderung, die Zuschauer zu unterhalten. Gabriel betonte jedoch das große Ganze. Deutschland müsse akzeptieren, dass es sich in einem fundamentalen Umbruch befinde.
"Das Deutschland, in dem eine große Mehrheit Volkswagen oder Mercedes fährt, SPD oder CDU wählt und samstags die 'Tagesschau' und dann 'Wetten, dass..?' guckt, gibt es nicht mehr. Und es wird auch nicht wiederkommen", so der frühere SPD-Chef in Köln. Die Stimmung sollte seine düstere Prognose am ersten Veranstaltungstag dennoch nicht trüben. Vielmehr gab sich Screenforce-Geschäftsführer Martin Krapf betont kämperisch und nutzte die Gelegenheit, um noch einmal für das Fernsehen zu trommeln und auf die Unterschiede zu den globalen Playern, die auf den Markt drängen, aufmerksam zu machen.
"Mehr als acht Milliarden Euro werden in Programme investiert – nur in diesem Jahr und nur in Deutschland", sagte er und verfolgte damit auch das Ziel, die wachsenden Investitionen von Streamingdiensten wie Netflix zu relativieren. Auch hinsichtlich der Vermittlung von Information sieht Krapf das deutsche Fernsehen etwa gegenüber sozialen Netzwerken im Vorteil. "Sie können sich darauf verlassen, dass Sie in kuratierten und redaktionell geprüften Umfeldern stattfinden werden", betonte er in Richtung der Werbekunden. Zwar sei auch das Fernsehen nicht fehlerfrei, im Gegensatz zu den amerikanischen Kollegen seien die Fehler jedoch transparent.
Im Mittelpunkt der Screenforce Days standen aber freilich erneut die Präsentationen der Vermarkter. Den Anfang machte in diesem Jahr die Mediengruppe RTL Deutschland, die ihr Screening diesmal im Rahmen einer Liebesgeschichte erzählte, in der allen Senderchefs eine Nebenrolle zukam. Das war stellenweise zwar ein wenig kitischig, bot aber die Möglichkeit, sämtliche Sender der Gruppe mit einer Art rotem Faden zu verbinden. Mediengruppen-Chefin Anke Schäferkordt machte auf der Bühne an der Seite von IP-Deutschland-Chef Matthias Dang noch einmal deutlich, auch weiter auf exklusive Inhalte setzen zu wollen. "Dadurch haben wir uns wesentliche Vorteile erarbeitet", sagte sie.
Schäferkordt zeigte sich davon überzeugt, dass gerade Eigenproduktionen auf Marken einzahlten. Dazu passten dann auch einige Zahlen, die RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann später präsentierte. Für 2019 stellte Hoffmann gleich 147 Serien-Folgen in Aussicht, was einer Verdreifachung innerhalb weniger Jahre entspricht. "Wer behauptet, wir würden nicht in unser Programm investieren, der ignoriert die Fakten." Auch den Anteil an Live-Sport will man noch einmal erhöhen, etwa durch den Erwerb der Europa-League-Rechte.
Bei allen Fakten bot die Mediengruppe RTL aber auch Show – etwa durch einen Auftritt von Rea Garvey, der in der gerade erst zu Ende gegangenen Staffel der Vox-Show "Sing meinen Song" zu sehen war. Auch die "DSDS"-Gewinnerin Marie Wegener trat im Coloneum auf. Noch musikalischer ging es allerdings am Nachmittag zu, als mehrere kleine Vermarkter an der Reihe waren. Sky Media holte zur Unterstützung gleich für die komplette Präsentation eine Band auf die Bühne, RTL II überraschte mit Scooter und beim Screening von Visoon sang Clueso ein Hit-Medley – darunter "Neuanfang", was ganz gut zur Nachricht vom Aus von Viva passte.
Generell schlug sich der Vermarkter von MTV, Comedy Central, Nickelodeon und Welt bei seiner Premiere auf den Screenforce Days ziemlich gut. Zu Beginn durften die Geschäftsführer die Bühne im wahrsten Sinne des Wortes rocken, später sorgte WeltN24-Geschäftsführer Torsten Rossmann dann für den nötigen Tiefgang und erinnerte auch an die lange Haft des Journalisten Deniz Yücel. "Ich kann Ihnen versprechen, dass wir es den Gegnern der Pressefreiheit nicht leicht machen werden", sagte er. Für die nötige Lockerheit sorgte anschließend das Viacom-Screening, das nicht nur mit Musik überzeugte, sondern auch in einem von Samy Deluxe bis Ingmar Stadelmann prominent besetzten Einspieler, der sich damit befasste, wie man MTV nach vorne bringen kann.
Teil der Nachmittags-Screenings waren zudem Sky Media und Discovery, die ein Stück weit auf weniger Show-Elemente setzte. Während Discovery-Chefin Susanne Aigner-Drews etwa mit dem Auftritt des neuen TLC-Sendergesichts Veronica Ferres überraschte, gelang Sky Media das Kunststück, all seine Partnersender ins rechte Licht zu rücken, indem man zu jedem Kanal eine prägende Figur auf die Bühne holte. Entertainment-Chef Marcus Ammon trommelte zudem für die kommenden Eigenproduktionen im Fiction- und Show-Bereich, darunter "Das Boot" und "X Factor".
Für die meisten Lacher sorgte aber ganz sicher der Auftritt von RTL-II-Chef Andreas Bartl und El-Cartel-Media-Chef Andreas Kösling, die sich gleich zu Beginn neben splitterfasernackten Männern wiederfanden – in Anlehnung an den Quoten-Erfolg "Naked Attraction". Die anfängliche Befürchtung mancher Zuschauer, die Geschäftsführer höchstpersönlich kämen in den bunten Boxen zum Vorschein, bestätigte sich glücklicherweise nicht. "Auch bei uns kennt die Transparenz Grenzen", scherzten sie. Diese Schlagzeile blieb den Screenforce Days am ersten Tag somit also erspart.