Vor ziemlich genau einem Monat ließ der italienische Medienkonzern die Bombe platzen: Pier Silvio Berlusconi, Chef des Unternehmens, wolle den Vertrag von ProSiebenSat.1-Vorstandssprecher Rainer Beaujean auslaufen lassen, berichtete "Business Insider" damals. Hintergrund sind Bestrebungen von Mediaset, enger mit ProSiebenSat.1 zusammenzuarbeiten. Dort sperrt man sich aber dagegen, allen voran gegen eine mögliche Fusion. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Brand sprang Beaujean Anfang November zur Seite. Man sei zufrieden mit den Entwicklungen, so der Chef-Aufseher, der dem Vorstand einen guten Job attestierte. 

Nun macht der Aufsichtsrat Nägel mit Köpfen und hat den Vertrag mit Rainer Beaujean mit Wirkung zum 1. Juli 2022 um fünf Jahre bis 2027 verlängert. Darüber hinaus wird Beaujean zum Jahreswechsel zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Bislang war er lediglich Sprecher des Vorstands, in der Praxis dürfte das zu keinen großen Veränderungen führen. Beaujean war, ist und bleibt der starke Mann bei ProSiebenSat.1. Zusätzlich wird Ralf Peter Gierig, bisher Deputy Group CFO, mit Wirkung zum 1. Januar 2022 neuer Finanzvorstand der ProSiebenSat.1 Media SE. Sein Vertrag läuft bis Ende 2024. 

Das Vorstandsteam der ProSiebenSat.1 Media SE vergrößert sich damit. Bislang gehörten dem obersten Führungsteam des Medienkonzerns neben Beaujean auch Christine Scheffler (als Verantwortliche für die Bereiche Personal, Compliance, Nachhaltigkeit, Organizational Development & Operational Excellence) sowie Wolfgang Link (als Chef der Seven.One Entertainment Group und der Red Arrow Studios) an. Künftig ist auch Ralf Peter Gierig Teil des Vorstands. 

Wiele und Habets sollen in den Aufsichtsrat

Andreas Wiele © Axel Springer Andreas Wiele
Und dann wird es im kommenden Jahr auch noch zu Veränderungen im Aufsichtsrat kommen. Die wohl wichtigste: Werner Brand tritt bei der Hauptversammlung im Mai 2022 nach acht Jahren nicht mehr zur Wahl an. Einen Nachfolger hat man aber schon gefunden: Der Aufsichtsrat will den früheren Springer-Vorstand Andreas Wiele nach der kommenden Hauptversammlung zu seinem neuen Vorsitzenden und damit zum Nachfolger von Brandt wählen. Wiele wird dem Aufsichtsrat bereits ab dem 13. Februar 2022 als gerichtlich bestelltes Mitglied angehören. Er folgt auf Adam Cahan, der sein Amt niedergelegt hat, da er eine neue Aufgabe als CEO eines US-Technologieunternehmen angenommen hat. 

Bert Habets © Antenna Group Bert Habets
Und dann will der Aufsichtsrat auch noch ein weiteres Mitglied bestellen, das in der Medienbranche bestens bekannt ist. Der ehemalige CEO der RTL Group, Bert Habets, soll als weiteres neues Aufsichtsratsmitglied zur Wahl vorgeschlagen werden. Er verfüge über "profunde Erfahrungen in der Führung globaler Medienunternehmen sowie über umfassendes Know-how bei der Einführung und dem Ausbau von Streaming-Videodiensten über mehrere Länder hinweg", heißt es von ProSiebenSat.1. Aktuell ist Habets CEO der griechischen Antenna Group.

 

"Herr Beaujean hat ProSiebenSat.1 gemeinsam mit dem Vorstandsteam sicher durch die Corona-Krise geführt und die strategische Neuausrichtung mit beeindruckender Konsequenz umgesetzt."
Werner Brandt, Aufsichtsratsvorsitzender von ProSiebenSat.1

 

Werner Brandt © ProSiebenSat.1 Werner Brandt
Werner Brandt, Aufsichtsratsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media SE, sagt: "Ich freue mich sehr, dass ich nach der nächsten Hauptversammlung ein personell so gut bestelltes Haus hinterlassen kann. Mit Dr. Andreas Wiele und Bert Habets haben wir zwei sehr profilierte Medienexperten für den Aufsichtsrat gewonnen, die beide auch erfolgreich viele Transformationsprozesse verantwortet haben. [...] Die Vertragsverlängerung von Rainer Beaujean und seine Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden ist die logische Konsequenz seiner sehr erfolgreichen Arbeit im Vorstand. Herr Beaujean hat ProSiebenSat.1 gemeinsam mit dem Vorstandsteam sicher durch die Corona-Krise geführt und die strategische Neuausrichtung mit beeindruckender Konsequenz umgesetzt. Mit Ralf Peter Gierig übernimmt ein langjähriger Kenner des Unternehmens und versierter Finanzexperte, der sich auch am Kapitalmarkt einen Namen als vertrauensvoller Ansprechpartner gemacht hat, den Bereich Finanzen."

Rainer Beaujean darf sich durch die Entscheidungen des Aufsichtsrats gestärkt fühlen. Er sagt: "Ich bedanke mich beim Aufsichtsrat für das ausgesprochene Vertrauen und speziell bei Dr. Werner Brandt für den wertvollen Austausch und die gute Zusammenarbeit. Gleichzeitig freue ich mich darauf, zusammen mit Dr. Wiele und meinen Vorstandskollegen unsere erfolgreiche Strategie weiter voranzutreiben." Was das für die Zusammenarbeit mit Mediaset bedeutet, sagt Beaujean lieber nicht. Gibt der italienische Medienkonzern seine Ambitionen nicht überraschend auf, ist mindestens mit weiteren, atmosphärischen Störungen zwischen Mailand und Unterföhring zu rechnen. Gut möglich auch, dass sich Mediaset bei der Hauptversammlung im Mai 2022 gegen die Pläne des bestehenden Aufsichtsrats stellt und versucht, eigene Kandidaten für Aufsichtsrat und Vorstand durchzuboxen. 

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