Die Pandemie mag manche Verzögerungen von Produktionen verursacht haben, das Wachstum des weltweiten Serien-Outputs hat sie jedoch nicht verlangsamt. Im Gegenteil: Berlinale-Serienchefin Julia Fidel und ihr Team konnten quantitativ aus dem Vollen schöpfen wie noch nie. Nahezu 200 Einreichungen für das Festival sind ein neuer Rekord – doppelt so viele wie im vorigen Jahr. "Das hat damit zu tun, dass wir uns über die letzten Jahre konsequent für neue Länder und Kontinente geöffnet haben, aber natürlich auch, dass überall unheimlich viel investiert und produziert wird", so Fidel im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de.

Die sieben Titel, die sie für den achten Jahrgang von Berlinale Series ausgewählt hat, reflektieren einen deutlichen Trend zu klassischen Erzählformen und Settings. Sie stammen aus Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Tschechien und Kanada; fünf davon feiern Mitte Februar in Berlin ihre Weltpremiere. "Die Pandemie führt offenbar zu einer gewissen Nüchternheit", so Fidel. "Es wird weniger wild experimentiert als noch vor ein paar Jahren. Man konzentriert sich auf bekannte Formen und gestaltet diese sehr präzise. Das junge Wilde, Unfertige ist ein bisschen unter den Tisch gefallen."

Stattdessen dominieren in der Auswahl Kriminalgeschichten, Gerichtssäle, Krankenhäuser und internationale Spionage – aber dennoch mit Überraschungsmomenten. "Als Zuschauerinnen und Zuschauer lassen wir uns ganz selbstverständlich auf diese scheinbar vertrauten Settings ein und werden hier plötzlich an unbekannte und vor allem emotionale Orte geführt, die uns einholen und herausfordern", sagt Fidel. So liefert die dänische Autorin und Regisseurin Lone Scherfig ("The Kindness of Strangers") mit "The Shift" (TV2) die konzentrierte Beobachtung einer Geburtsstation mit großen horizontalen Handlungsbögen rund um Hebamme Ella (Sofie Gråbøl). Die schwedische Comedy-Serie "Lust" (HBO Max) von Frans Milisic Wiklund ("Alex") thematisiert die erotischen Erlebnisse, sexuellen Nöte und Bedürfnisse einer Freundinnengruppe Mitte vierzig, verkörpert von einem Schauspielerinnen-Ensemble um Sofia Helin ("Die Brücke").

Aus Großbritannien kommt mit "The Rising" (Sky) eine Adaption der belgischen Mystery-Serie "Beau Séjour", die Autor Pete McTighe ("Doctor Who") als Young-Adult-Whodunnit mit jungem Cast in den englischen Lake District verlegt hat. Eröffnungsserie ist der argentinische Agententhriller "Yosi, the Regretful Spy" (Amazon Prime Video) von Showrunner Daniel Burman ("Victoria Small"). Außerdem dabei: die tschechisch-französische Koproduktion "Suspicion" (CT/Arte), die isländische Krimiserie "Black Sands" (Channel 2) und das kanadische Familiendrama "Les Temps des Framboises" (Club Illico).

Während die Festivalaufführungen physisch vor Ort stattfinden sollen, wird der European Film Market (EFM) wie schon im Vorjahr zur reinen Online-Veranstaltung. Das betrifft auch den Berlinale Series Market vom 14. bis 16. Februar. Dort stellen Lone Scherfig und Daniel Burman ihre Serien ebenfalls vor und sprechen über den Weg von der Filmregie zum TV. Für den Showcase "Up Next: Germany", bei dem das internationale Fachpublikum erste Einblicke in kommende Serienprojekte erhält, wurden dieses Jahr die WarnerTV-Comedy-Serie "Greenlight – German Genius" (W&B Television), die Netflix-Action-Serie "Kleo" (Zeitsprung Pictures) rund um eine Stasi-Killerin, der deutsch-israelische Sky-Thriller "Munich Match" (Amusement Park/CBS Studios) um die Bedrohung eines Freundschaftsspiels 50 Jahre nach dem Olympia-Attentat in München und die ARD-True-Crime-Doku "Reeperbahn Special Unit 65" (Gebrüder Beetz) ausgewählt.

Im Konferenzprogramm des Berlinale Series Market soll es um Streaming-Business-Strategien für die lokalen Märkte in Europa, um die Forderung nach Investitionsverpflichtungen großer Plattformen sowie um aufstrebende weibliche Autorinnen aus der afrikanischen Serienlandschaft gehen. Unter den 14 Serien, die für Markt-Screenings im Rahmen der "Berlinale Series Market Selects" kuratiert wurden, finden sich zwei deutsche Produktionen: die ARD-Serie "ZERV" (W&B Television) und die MagentaTV/WarnerTV-Koproduktion "Oh Hell" (Good Friends).